Entbrannt
bedeckt, er hatte blassblaue Augen und feuerwehrautorotes Haar. Ich hatte solche Haare noch nie gesehen. Er konnte nicht älter als sechs sein.
Ich nickte. »W ie ich.«
»W ürden wir zu deiner Familie gehören?«, fragte ein kleines Mädchen namens Katie. Man merkte, dass sie bereits ein schweres Leben hinter sich hatte. In ihrer Haltung drückte sich aus, dass sie nichts als Leiden erwartete.
Ich lächelte sie an. »D u hättest überall auf der Welt Angehörige.«
Sie lächelte zurück, und es brach mir das Herz.
Ich muss diese Kinder retten.
»H abt ihr den Mann mit den violetten Haaren gesehen? Der, der mich hergebracht hat?«
Die Kinder nickten.
»W ir nennen ihn Mitternachtsstern. Er schmuggelt ab und zu was zu essen zu uns und sagt, wir sollen es verstecken«, erklärte Simon.
Ich lächelte. Mitternachtsstern war ein perfekter Name für Phoenix.
»N un, wenn mir irgendetwas passiert oder wenn ich nicht mehr zu euch zurückkommen kann, dann tut, was er sagt, okay? Ihr könnt ihm vertrauen. Er wird euch beschützen.«
Die Kinder nickten.
Simon lehnte sich gegen die Gitterstäbe und sie gaben ein wenig unter dem Druck nach. Ich fragte mich, ob ich sie mit meiner Kraft herausreißen könnte. Er streckte seine Hand durch die Gitterstäbe nach mir aus.
»W ir beten jeden Abend, dass Gott uns schützen möge. Wirst du mit uns beten?«
»O h«, sagte ich verdattert. »I ch… Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, ob ich an Gott glaube.«
Simon reagierte zuerst schockiert, dann verwirrt und dann… lächelte er.
»D u stellst uns auf die Probe. Das merke ich.« Er nickte, eher für sich selbst als für mich. »U nser Glaube wird nicht wanken. Du wirst sehen, dass wir nicht von unserem Weg abkommen.«
Ich wusste nicht, weshalb er so mit mir redete, aber er und damit auch die anderen Kinder schienen irgendwie Kraft daraus zu schöpfen. Ich lächelte, als er mich ansah. Ich war froh, dass er gläubig war. Ich wusste nicht, wie ich dazu stand, aber dennoch wusste ich viel mehr über Gott und die Engel als diese Kinder, und ich würde sie nicht von ihrem Glauben abbringen, wenn sie sonst so wenig hatten, das ihnen Trost spenden konnte.
Ich trat näher an Simon heran und ergriff seine Hand. »I ch werde mit euch beten.«
Überall um mich herum fielen Kinder auf die Knie und beugten ihre Köpfe. Ein paar wandten sich ab. Ich wartete darauf, dass Simon mit einem Gebet anfing, um ihr Überleben bat und darum, dass ihre Angehörigen in den Himmel gekommen waren. Darauf machte ich mich gefasst. Aber nichts, absolut nichts hatte mich darauf vorbereiten können, was als Nächstes passierte.
Eine einsame Stimme erklang– winzig, unschuldig und wunderschön. Ihr Widerhall von den Betonwänden erzeugte eine tief bewegende Wirkung.
Tom sang.
Die Worte klangen wie Latein. Sofort brannten Tränen in meinen Augen, seine Stimme ging mir direkt zu Herzen. Ich hatte noch nie so etwas Himmlisches gehört.
Ich blickte Simon an, der mich ehrfürchtig beobachtete.
»E s heißt ›Pie Jesu‹«, sagte er, während Tom sang. »E s ist für unsere Eltern. Es bedeutet: Barmherziger Jesus, der du die Sünden der Welt auf dich nimmst, schenke ihnen ewigen Frieden.«
Ich nickte. Tränen liefen mir über die Wangen. »E s ist wunderschön.«
Kapitel Zweiunddreissig
»D u hast mir ja Gift gegossen
Ins blühende Leben hinein.«
Heinrich Heine
Donnernde Geräusche drangen von oben zu uns herunter. Die Kinder drängten sich zusammen. Die Trommeln schienen den Herzschlag sich ausbreitenden Unheils perfekt wiederzugeben.
Lilith machte aus meiner Marter eine ziemliche Show.
Bestimmt hat sie Eintrittskarten verkauft.
Ich tröstete die Kinder, so gut ich konnte. Ich sagte ihnen, dass die Wachen kommen würden, um mich zu holen, dass das in Ordnung war und sie keine Angst zu haben brauchten. Ich versprach ihnen, dass sie von jemand anderem abgeholt würden.
Aus irgendwelchen Gründen vertrauten sie mir, als ob die Flamme all ihrer Ängste durch meine Gegenwart ausgelöscht wäre.
Dadurch fühlte ich mich elend. Und schuldbewusst.
Ich wusste, ich würde unmöglich alle retten können, aber ich musste es versuchen. Für alles andere musste ich darauf vertrauen, dass Phoenix, Evelyn und Griffin eine Lösung finden würden.
Ich hörte Schritte und stand auf, weil ich nicht schwach und ängstlich wirken wollte.
Olivier war es, der mich abholte. Phoenix hatte es wohl als zu riskant erachtet selbst zu kommen. Eine Welle der
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