Entbrannt
Kraft bekommen hatte… Wenn ich Lincolns Seelenverwandte geworden war, um diese Pfeile zu überleben… Damit konnte ich leben. Oder sterben.
Pfeil Nummer sechsundfünfzig.
An meinem Körper gab es nur noch wenige Stellen, die nicht von Pfeilen markiert waren und bluteten. Ich hickste mich durch kurze, bebende Atemzüge.
Mindestens einer der Pfeile hatte meine Lunge durchbohrt.
Ich versuchte, sie zu heilen.
Pfeil Nummer achtundfünfzig.
Ich hustete. Blut spritzte. Ich konnte auf keine Kraft mehr zugreifen.
Ich weigerte mich, die Augen zu schließen. Ich blickte zu Lincoln, meiner Liebe. Er weinte, sein Gesicht war schmerzverzerrt. Vier Verbannte hielten ihn zurück.
Ich ließ ihn die Wahrheit sehen. Es war an der Zeit. Er schrie, bis er keine Luft mehr hatte.
Phoenix drehte sich zu Lincoln um. Dann wieder zu mir. Lincoln fing an, ihn anzuschreien: »N ein! Nein! Genug! Phoenix, genug!«
Phoenix legte einen Pfeil an.
Ich hielt durch. Er schoss.
Noch ein Kind.
Jeder Atemzug wurde flacher, gebrochener. Ich hatte Angst.
Ich weigerte mich weiterhin, die Augen zu schließen, und fing in Gedanken an, Abschied zu nehmen, zuerst von Dad, dann von Evelyn. Ich dachte an Steph und Spence, Griffin und Onyx, Dapper, Zoe und Salvatore. Meine Familie.
Ich blickte Phoenix an und schickte ihm meine Entschuldigung, und auch meine Vergebung. Er blockierte mich und lud nach. Aber das war in Ordnung. Jeder Pfeil bedeutete ein Leben mehr.
Schließlich schaute ich wieder zu Lincoln und ließ mein Herz zu ihm gehen. Mit dem Letzten, was ich noch hatte, flüsterte ich: »I ch liebe dich.«
Ein weiterer Pfeil erschütterte meinen Körper.
Gut. Noch ein Leben.
Lincoln drängte sich gegen die Verbannten, die ihn festhielten und schrie: »I ch gehöre dir! Für immer und ewig!«
Dann schickte er mir alles, was er hatte. Ich sah, wie er zu Boden stürzte, als er den Rest seiner Kraft in mich strömen ließ und mir half, noch ein paar Pfeile mehr zu überleben.
Pfeil vierundsechzig traf.
Pfeil fünfundsechzig.
Pfeil sechsundsechzig.
Evelyn schrie auf.
Pfeil siebenundsechzig.
Ich versank.
Endlich ließ ich mich an diesen Ort gehen. Ich zwang meine Augen, offen zu bleiben, aber ich kapselte mich selbst ab und ging zu dem Ort, den ich mich selbst gelehrt hatte zu finden. Der Ort, der den Rest der Welt ausschloss, der Ort, der die Regeln aufstellte.
Ich werde nicht vor dir weglaufen. Ich werde mich nicht vor dir verstecken. Ich werde alles ertragen, was du mir auferlegst. Ich glaube nicht an Happy Ends. Ich werde stehen bleiben und kämpfen. Ich werde … Ich werde … Ich werde …
Pfeil…
Pfeil…
Ich wusste nicht, ob meine Augen noch offen waren. Das war gleichgültig. Endlich gab es nur noch Dunkelheit.
Kein Tunnel.
Kein Licht.
Nur die Verheißung auf Nichts.
Und doch– plötzlich, in diesen letzten Momenten, erhob sich eine Woge der Furcht und durchdrang jeden Teil von mir. Ich war mir sicher– sicherer, als ich es jemals in meinem Leben gewesen war–, dass mich etwas wirklich Entsetzliches erwartete. Aber es gab nichts, was ich tun konnte.
Kapitel Dreiunddreissig
»H attet ihr denn keine Einsicht? Das ist die Hölle, die euch angedroht ward.«
Koran 36, 62–63
Zuerst brachen gegensätzliche Gerüche über mich herein. Etwas Feuchtes, Stechendes– wie Desinfektionsmittel. Dann salziger Schweiß und Hitze. Aber vor allem der strenge Geruch von frischem Blut, vermischt mit dem faulen Gestank von getrocknetem.
Als Nächstes kamen die Schmerzen. Von der Stirn bis zum Nacken, meine Schultern, Arme und von dort aus abwärts. Überall. Es fühlte sich an, als stünde mein ganzer Körper in Flammen.
Ich rang nach Atem. Meine Kehle war rau, beim Einatmen fühlte es sich jedes Mal an, als würden Messer in eine offene Wunde stechen. In gewisser Weise fühlte es sich so an, als würde es vom vielen Schreien kommen, aber der Gedanke war zu kompliziert, um ihn zu behalten.
»S ie kommt zu sich«, sagte eine Stimme.
Schritte erklangen, kamen näher. »H ey, Dapper hat gerade angerufen. Sie sind fast da.« Andere Stimme.
Wer ist das? War das … Spence?
»G ut. Geh zurück nach draußen und halt Wache.«
Pause. Dann Schritte, die sich entfernten.
»H ol ihr etwas Wasser«, sagte dieselbe Stimme.
»I ch lasse sie nicht allein«, antwortete eine Frauenstimme.
»S ie kann kaum atmen, hol Wasser«, knurrte die erste Stimme.
»I ch traue dir in Bezug auf sie nicht.«
»I ch habe sie hierher gebracht,
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