Entbrannt
aufforderte. Plötzlich wollte ich ihn unbedingt tanzen sehen, mehr als alles andere. Ich wollte ein einziges Mal sehen, dass er sich entspannte.
Nervös leckte ich mir die Lippen. »N un, ich glaube, jetzt bist du mir was schuldig– einen Tanz, meine ich.«
Er lehnte sich in seinem Sitz zurück und lächelte immer noch, konzentrierte sich jetzt aber auf die Straße. »D as ist wohl wahr.«
»D arf ich mir den Zeitpunkt aussuchen, an dem ich die Schulden eintreibe?«
Er schluckte, seinem Gesicht nach zu urteilen war er jetzt auf der Hut. »I n angemessenem Rahmen.«
Ich sah zum Fenster hinaus. Wenn es einen Gott gab, dann hasste ich ihn. Abgesehen von all diesen Engelelementen, mit denen ich ausgestattet war– ich meine, wer konnte das jemandem antun– so viele Qualen? Das war nicht richtig. Und nicht natürlich.
Vor unserem Wohngebäude hielt Lincoln an. Ich sah, dass alle anderen schon am Eingang warteten.
»Ä h… Warum sind wir hier?«, fragte ich.
»G riffin hat nur gesagt, dass wir hierher kommen sollen«, sagte Lincoln. Er stellte den Motor ab und stieg aus.
Ich folgte ihm und wir gingen zu Steph, Zoe, Spence und Salvatore, die an der Tür standen.
Zoe zog die Augenbrauen nach oben, als sie mich sah.
»T ut mir leid«, sagte ich und zuckte zusammen, weil ich wusste, dass dieser Abend– und die Sache mit Jase– nicht nach ihren Vorstellungen verlaufen war.
Sie kaute einen Moment lang auf der Innenseite ihrer Wange herum, doch dann zuckte sie mit den Schultern und winkte ab. »U m ehrlich zu sein, war das alles sowieso ein wenig kompliziert«, sagte sie. »N icht mein Ding.«
Wir lächelten uns gegenseitig an, doch ich sah einen Hauch von Traurigkeit über ihr Gesicht huschen. Oder war es Einsamkeit?
Steph warf Lincoln einen langen Blick zu. »T rägst du etwa Onyx’ Ralph-Lauren-Anzug?«
Lincoln sah sie verwirrt an. »W oher weißt du das?«
Sie zuckte mit den Schultern. »E r ist ein guter Shopping-Partner. Gewisse andere Leute«– dabei schaute sie mich an– »s ind ja immer mit Trainieren beschäftigt.«
»E r hat es angeboten, und ich hatte keine Zeit mehr, nach Hause zu gehen und mich umzuziehen.« Er sah wieder mich an. »D inge mussten erledigt werden.«
»O ffensichtlich«, sagte Steph trocken. »I ch hoffe doch, du hast meinen Bruder in einem Stück gelassen.«
»I ch habe ihn nicht angerührt«, sagte Lincoln.
»I ch spreche von seinen Gefühlen«, erwiderte Steph. Sie folgte uns, als wir alle Richtung Aufzug gingen.
»O h«, sagte Lincoln. Mehr bot er nicht zu seiner Verteidigung.
Kapitel Fünf
»Z weifellos sind die schicksalhaften Ziele der Helden hochgesteckt, und sie erreichen diese in tadelloserHaltung. Ihr Schmerz ist schrecklich…«
Sir Thomas Noon Talfourd
Dad und Evelyn saßen am Esstisch. Beide Köpfe fuhren hoch, als sie mich hereinkommen sahen. Dad lächelte von Ohr zu Ohr und warf mir einen stolzen Vaterblick zu. »V iolet, wie du aussiehst… Wow.«
Ich lächelte. »D anke Dad.«
»W irklich wunderschön«, sagte Evelyn mit einem seltsamen Gesichtsausdruck.
Ich verdrehte die Augen. »I ch ziehe mich jetzt um.« Und bevor sie noch etwas sagen konnte, ging ich in mein Zimmer, wo ich eine alte Jeans und ein T-Shirt anzog und mich sofort wieder mehr wie ich selbst fühlte.
Beim Hinausgehen fiel mein Blick auf meine Künstlermappe und all die neuen Utensilien, die nur darauf warteten, im Fenton-Kurs eingesetzt zu werden. Ich biss mir auf die Unterlippe, machte das Licht aus und ging zurück ins Wohnzimmer.
Griffin stand am Kopfende des Esstisches. Lincoln lehnte an der gegenüberliegenden Wand. Alle anderen hatten sich hingesetzt. Ich setzte mich auf den freien Platz neben Dad. Es war seltsam, dass alle zusammen bei mir zu Hause waren. Meine beiden Welten waren aufeinandergeprallt, und ich hoffte verzweifelt, dass das gut war.
»D a bist du ja, Liebes«, sagte Dad und schob eine Kaffeetasse auf mich zu.
Ich nahm sie in beide Hände, trank einen Schluck und seufzte erleichtert– Kaffee hatte diese Wirkung auf mich.
»I ch nehme an, alle wundern sich, weshalb wir hier sind…«, begann Griffin.
»N icht besonders«, erwiderte Evelyn und schnippte sich ihren schlecht geschnittenen Pony aus dem Gesicht. »H öchstwahrscheinlich bin ich der Grund dafür.«
Griffin nickte. »I ch fürchte ja, Evelyn. Die Akademie kennt deinen Aufenthaltsort sehr wohl. Sie fordern dich auf, zu einer vollständigen Beurteilung nach New York zu kommen. ›Nicht
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