Entbrannt
schieren Druck der verlorenen Seelen erschauerte, als sie versuchten, mich zu brechen oder genauer gesagt, mir meine Lebenskraft zu rauben, als könnten sie sie irgendwie absorbieren und etwas von ihrer eigenen zurückfordern. Ich wollte in Panik ausbrechen, aber auch das schob ich von mir.
Dann sah ich sie.
Sie kam nicht von der Seite und drückte sich auch nicht durch die Massen. Zögernd kam sie von oben, fast so, als hätte sie sich dort hinter einem Stern versteckt. Ein leiser Schrei fiel von meinen Lippen.
Ich wusste, es war Lincolns Spiegelung– seine Seele. Mein Körper sehnte sich schmerzlich danach, nach ihr zu greifen.
Sie glänzte hell, als sie von oben auf mich herunter schwebte. Ich wartete geduldig, richtete meine Konzentration auf Lincoln und nichts anderes, und sorgte dafür, weiterhin als Signalfeuer für seine Seele zu fungieren. Und sie kam auf mich zu, sicher und direkt.
Mein fallender Stern.
Endlich schwebte sie direkt über mir. Mein Gesicht wandte sich nach oben, der Spiegelung zu, die nicht mehr als eine Luftbewegung war, und ich schloss kurz die Augen, um seine Anwesenheit in mich aufzunehmen. Ich spürte sie… die Sonne. Sogar im Dunkeln, im Nichts, war er immer noch die Sonne.
Sie wartete, bewegte sich um die Ränder meines Gesichts, als würde sie versuchen, mich zu liebkosen.
Ich konnte es kaum ertragen. Ich musste seine Seele in mich hinein holen. Ich ließ alles los, was mich zusammenhielt. Ich zerschnitt die letzten dünnen Fäden, die das gehütet hatten, was von meinem Herzen übrig war, und gab es ihr.
Als ich vor Schmerzen schrie, strömte Lincolns Seele in mich hinein.
In dem Moment, als ich sie hatte, fiel ich wieder.
Das nächste, was ich wusste, war, dass ich in Spence’ Armen lag. Er trug mich durch die Wälder.
»A lles okay?«, fragte er, als ich blinzelte.
Nein. War es nicht.
»V i?«
Er verlagerte mein Gewicht in seinen Armen und ich hörte etwas piepsen. Wir waren am Auto.
Ich schluckte trocken. »W ie lange?«
»D u bist seit etwa zwanzig Minuten bewusstlos. Als ich vom Berg herunterkam, warst du schon an der Stelle, zu der ich kommen sollte. Hat ganz schön geknallt, als du gefallen bist.«
Er machte die Beifahrertür auf und setzte mich in den Wagen, dann schnappte er sich eine Flasche Wasser vom Rücksitz, drehte den Deckel auf und reichte sie mir.
Ich nahm einen Schluck. »W ir müssen los«, sagte ich.
»W ohin?« Spence blickte sich um, er hatte keine Ahnung, was auf ihn zukommen würde.
»Z urück zu Lincolns Wohnung.« Ich wandte mich nach vorne und ließ mein Gesicht in die Hände fallen. Allmählich kam alles, was ich beiseitegeschoben hatte, wieder zurück– und das tat weh. Überwältigt stöhnte ich auf.
»H immel, Vi, was zum Teufel ist da draußen mit dir passiert?«
Ich schüttelte den Kopf und stützte mich mit einer Hand auf dem Armaturenbrett ab. »W ir müssen los«, stieß ich zähneknirschend hervor.
Aber das ließ Spence nicht gelten. »K omm schon, Vi, du musst mir schon mehr geben. Griff wird mir für das hier den Kopf abreißen. Was ist passiert?«
Ich schüttelte wieder den Kopf. »B itte, Spence«, flehte ich, weil jedes Wort– jede Sekunde – schmerzte, und das würde für den Rest meines Lebens so sein, aber ich musste diese eine Sache richtigstellen. Und jetzt, wo ich Lincolns Seele so nah bei mir, wo ich sie in mir hatte, wohin sie einst gehört hatte… konnte ich mich kaum selbst zusammenhalten.
Spence trat von einem Fuß auf den anderen. »O kay, Eden, wir fahren. Wir fahren ja schon.« Er sprang auf den Fahrersitz und wir brachen auf, während er etwas sehr Fantasievolles darüber murmelte, was Griffin mit seinem Kopf anstellen würde.
Kapitel Einundvierzig
»W as kann der Mensch geben,
um sein Leben auszulösen?«
Markus 8, 37
Als Spence und ich Lincolns Wohnung wieder betraten, waren alle da. Sogar Onyx.
Sie sahen mich an und wagten kaum zu atmen, als ich in Lincolns Zimmer ging. Als ich die Tür hinter mir nicht zumachte, nahmen sie das als Einladung und folgten mir. Das machte mir nichts aus. Ich hatte keine Ahnung, was passieren würde, und vielleicht würde ich sie brauchen.
Griffin zog Spence in die Zimmerecke und fing an, Antworten zu fordern. Spence verteidigte sich stotternd, wobei er mit »I ch kann nichts dafür« anfing und mit »I ch weiß nicht« endete.
Onyx und Dapper hielten sich zusammen mit Zoe und Salvatore im Hintergrund. Steph trat hinter mich. »W ir sind für dich da, Vi.
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