Entbrannt
anderen warteten. Sie blickten auf wie erwartungsvolle Erdmännchen, als sie mich sahen. Ich lächelte ein wenig.
»E r kommt gerade zu sich.«
Griffin sprang auf die Füße, der Rest der Truppe tat es ihm nach. Sie lächelten und lachten, rannten in Lincolns Zimmer und ließen mich allein zurück.
Ich liebte Lincolns Lagerhalle. In vielerlei Hinsicht war sie auch mein Zuhause geworden. Ich sah zu den riesigen Bogenfenstern an beiden Enden der Halle hinauf. Die Nachmittagssonne strömte durch sie herein und tauchte den Raum in helles Licht. Es war wunderschön.
Ich ging zur Küche hinüber und strich mit der Hand über die Frühstückstheke, erinnerte mich an all die Male, als ich dort saß und die Mahlzeiten aß, die Lincoln für mich zubereitet hatte, während ich an seinen Lippen hing und seinen Ratschlägen lauschte. Ich schloss die Augen und stellte mir den Duft von Basilikum vor– wie sehr er es liebte, damit zu kochen. Vor meiner Wand, die noch immer mit dem Tuch verhüllt war, blieb ich stehen. Das Bild darunter schien mir jetzt so naiv.
Ich fand einen Notizblock und einen Stift und schrieb ein paar Worte, dann ließ ich den zusammengefalteten Zettel auf dem Esstisch liegen.
Ich hörte die anderen rumoren und gelegentlich einen Jubelschrei ausstoßen. Er war wach, und ich spürte, dass er nach mir suchte.
Bevor ich es mir anders überlegen konnte, machte ich mich auf den Weg zur Haustür. Ich hatte sie schon halb geöffnet, als Steph durch den Flur gerannt kam.
»H ey, Vi. Lincoln fragt nach…« Sie brach ab, als sie mich sah. »D u… gehst?«
Ich konnte nicht sprechen. Ich sah sie einfach nur an und versuchte, ihr ohne Worte irgendwie zu erklären, dass ich unmöglich bleiben konnte, nach allem, was ich jetzt wusste, nach allem, was ich durchgemacht hatte.
Leute hatten Opfer gebracht und waren gestorben. Für mich. Meinetwegen. Ich konnte nicht bleiben und zusehen, wie diejenigen, die ich am meisten liebte, weiterhin Entscheidungen trafen, bei denen ich Priorität hatte. Ich hatte dem Engel, der mich gemacht hatte, Versprechen gegeben, und ich wusste, dass ich mich daran halten würde. Doch ich würde mich nur daran halten können, wenn ich allein war, wo die Gefahren und Konsequenzen meiner Entscheidungen meine eigenen sein würden.
Und die einfache Wahrheit war, ich konnte ihm nicht gegenübertreten. Lincoln war zurück, und jetzt hatte er eine Chance zu leben. Ich wollte das für ihn– ich hatte ihn ganz sicher nicht zurückgebracht, nur damit er ums Leben kam, wenn er mich mal wieder verteidigte. Die einzige Chance zu überleben bestand für ihn darin, von mir getrennt zu sein. Und die einzige Chance, dass ich überlebte, war, endlich– und vollständig– die Grigori zu werden, die ich war.
Steph war wie gelähmt, sie starrte mich an und ließ dann die Schultern fallen. Tränen liefen ihr über die Wangen. »A ber das kannst du nicht tun«, flüsterte sie.
Ich räusperte mich. »I ch habe eine Nachricht hinterlassen. Wirst du sie ihm geben?«
Sie nickte, während sie weinte und schniefte. »W irst du mich anrufen? Bitte, Vi, versprich mir, dass du anrufst.«
»E r darf nie erfahren, wo ich bin.« Denn trotz meiner Entscheidung, würde Lincoln zu mir kommen, wenn er wüsste, wo ich war. Er würde es nicht akzeptieren. Wir waren Partner. Soweit es ihn betraf hieß das, dass wir zusammengehörten, ob wir wollten oder nicht.
Steph schüttelte den Kopf. »I ch würde es ihm nicht sagen, wenn du das so willst. Versprich einfach, dass du in Kontakt bleibst. Bitte, Vi. Du bist meine beste Freundin.«
Ich blickte zu Boden. Ich hätte Nein zu ihr sagen sollen. Aber ich ertappte mich dabei, wie ich nickte. »W enn ich angekommen bin, rufe ich dich von meiner neuen Nummer aus an.« Ich griff nach der Tür. »I ch muss jetzt gehen.«
»I ch hab dich lieb, Vi.«
»I ch hab dich auch lieb, Steph.«
Und dann ging ich.
Dad und Evelyn hatten alles vorbereitet, während ich bei Lincoln gewacht hatte. Sie hatten ihre Entscheidung ebenfalls getroffen– was immer das bedeutete– und freuten sich darauf, die Stadt zu verlassen, etwas, was ich schon vor einer Weile beschlossen hatte. Jetzt war ich erleichtert, dass ich mit ihnen gehen würde.
Sie hatten alles verpackt und vorübergehend eingelagert, bis wir endgültig entschieden hatten, wo wir uns niederlassen wollten. Es stellte sich heraus, dass Evelyn mehr als nur ein sicheres Haus besaß und wir würden damit anfangen, sie uns alle anzusehen.
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