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Entdecke die Kraft der Meditation

Entdecke die Kraft der Meditation

Titel: Entdecke die Kraft der Meditation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Salzberg
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meine im Laufe der Zeit zur Gewohnheit gewordenen Reaktionen ihr hinzufügten.
    Zum ersten Mal fiel mir das bei meinen Knien auf. Mein Lehrer empfahl seinen Schülern stets, sich während der Meditation möglichst nicht zu bewegen. Ich musste mich aber immer bewegen, denn die Knie taten mir weh und der Rücken auch. Je mehr ich mich stillzusitzen bemühte, desto mehr musste ich hin und her rutschen und kleine Veränderungen der Haltung vornehmen. Irgendwann fiel mir auf, dass ich mich immer schon bewegte, wenn die Schmerzen eigentlich noch gar nicht so schlimm waren. Vielmehr dachte ich bei jeder kleinen Missempfindung gleich: Wie wird das in zehn Minuten sein? Und erst nach zwanzig Minuten? Sicher ganz unerträglich. Wenn ich also zu rutschen begann, dann nicht wegen des bereits vorhandenen Unbehagens, sondern wegen der erwarteten Schmerzen. Ich sah die Schmerzen mit jeder Minute, jeder Stunde, jedem Jahr unerbittlich immer weiter zunehmen, bis ich eine Last dräuen sah, die ein Mensch unmöglich tragen kann. Da kamen dann die Selbstanklagen noch hinzu: Was musst du dich bewegen? Das war doch gar nicht nötig. Du bist immer die Erste, die sich bewegt.
    Wenn ich mich bewegte, störte das meine Konzentration allenfalls für ein paar Sekunden, aber mit den bangen Zukunftsbildern und den dann losbrechenden Zurechtweisungen schaffte ich es, meine Meditation für volle zehn Minuten zu unterbrechen. Schließlich lernte ich, diese unnötigen Zusätze rechtzeitig auszumachen, die sich zwischen mich und die reine Erfahrung schoben, diesen Hang, mich abzuurteilen und eine vorübergehende Missempfindung zu permanentem Elend in der Zukunft hochzurechnen. Danach sah der innere Dialog dann anders aus: So fühlt sich der Knieschmerz eben jetzt an, nicht in einer Stunde. Es pocht und sticht ein bisschen. Jetzt gibt es kleine Zuckungen mit Pausen dazwischen. Komme ich damit jetzt im Moment zurecht? Ja, durchaus. Nur unmittelbare Erfahrung ohne Zusätze unterrichtet uns über das, was gerade tatsächlich vorgeht.
    Achtsamkeit, auch weise Aufmerksamkeit genannt, lässt uns erkennen, was wir unserer Erfahrung hinzufügen, und das nicht nur während der Meditation, sondern auch überall sonst. Diese Zusätze können in allen möglichen Formen auftreten, zum Beispiel als Weissagung ( Mir tut der Nacken weh, das hört bestimmt nie wieder auf ), als voreiliger Schluss ( Es hat bestimmt keinen Zweck, um eine Gehaltserhöhung zu bitten ), als feststehende Meinung ( Wenn du nicht für mich bist, dann bist du gegen mich ), als Gewohnheitsautomatik (bei innerer Anspannung in die Keksdose greifen) oder als zügellose Assoziationen (Sie fauchen Ihre Tochter an und sind dann plötzlich bei Ihren eigenen Kindheitsproblemen und dann auch gleich bei der Schlussfolgerung, dass Sie genau wie Ihre Mutter sind). Das heißt nun nicht, Sie sollten Vorstellungen und Assoziationen unterdrücken; das geht auch gar nicht und ist nicht einmal wünschenswert. Assoziatives Denken kann kreative Problemlösungen finden und bringt Kunstwerke hervor. Aber wir möchten einfach deutlich sehen, was wir jeweils tun. Wir möchten unsere direkte Erfahrung von den Zusätzen unterscheiden können. Wir müssen wissen, dass es uns freisteht, uns auf sie einzulassen oder es nicht zu tun. Vielleicht ist es zwecklos, um die Gehaltserhöhung zu bitten, vielleicht auch nicht. Das können Sie erst wissen, wenn Sie klar zwischen Ihrer eingeübten Annahme – Ich bekomme doch nie, was ich möchte – und den nackten Tatsachen Ihrer Arbeitssituation unterscheiden.
    Eine Stelle, an der wir uns mit der Funktionsweise der Achtsamkeit vertraut machen können, ist jederzeit direkt greifbar: unser Körper. Es gibt kaum etwas Besseres als die Betrachtung körperlicher Empfindungen, wenn es zu lernen gilt, einfach bei dem zu bleiben, was gerade vor sich geht, und den Unterschied zwischen der reinen Erfahrung und unseren Zusätzen zu erkennen. In der nächsten Woche werden wir diese Achtsamkeit auf unsere Gefühle und Gedanken anwenden.
    Ich habe einmal ein besonders schönes Beispiel für die Wirkungsweise von Zusätzen erlebt, als ich zusammen mit Joseph Goldstein ein Retreat leitete. Wir saßen beim Tee, als ein Schüler ziemlich aufgelöst hereinkam und sagte: »Ich habe eben etwas ganz Schreckliches erlebt.«
    »Was war denn los?«, wollte Joseph wissen.
    Der Mann sagte: »Mitten in der Meditation fiel mir diese Spannung in meinen Kiefern auf, und da war mir plötzlich klar, was für ein

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