Entdecke die Kraft der Meditation
verklemmter Typ ich doch bin und immer gewesen bin und immer sein werde.«
Joseph ganz ruhig: »Sie meinen, Sie haben eine gewisse Spannung im Kiefer gespürt.«
Der Mann sprudelte weiter: »Ja. Ich war noch nie in der Lage, Nähe zu anderen aufzubauen, und ich werde für den Rest meines Lebens allein bleiben.«
Joseph noch einmal: »Sie meinen, Sie haben eine gewisse Spannung im Kiefer gespürt.«
Der Mann ratterte noch eine ganze Weile so weiter und war nicht von seinem Weg abzubringen. Schließlich sagte Joseph: »Sie erleben da etwas Unangenehmes. Warum wollen Sie das noch durch solch ein schreckliches Bild von sich selbst ergänzen?«
Ich bin sicher, Sie wissen, was in diesem Mann mit der verkrampften Kinnlade vor sich ging. Wir alle haben uns schon manches Mal als hoffnungslosen Fall abgestempelt oder auf eine flüchtige Empfindung, einen bloßen Gedanken hin ein böses Ende kommen sehen. Das läuft nach diesem Muster: Ich bücke mich, um mir die Schuhe zu schnüren, und zerre mir dabei einen Muskel am Rücken. Jetzt geht es los: Das ist der Anfang vom Ende. Von jetzt an geht alles den Bach runter. (Joseph würde sagen: »Sie meinen, Sie haben eine kleine Zerrung am Rücken.«)
Praxisvorschau
Die Achtsamkeitsübungen dieser Woche sind: ein Körper-Scan, eine Meditation im Gehen, eine Meditation zum Körperempfinden und drei auf der Alltagserfahrung aufbauende kürzere Meditationen. Diese Meditationen dienen dem Zweck, uns besser auf unseren Körper einzustimmen, damit wir uns »in unserer Haut« wohlfühlen. Sie werden uns die ständigen Veränderungen unserer Erfahrung noch deutlicher vor Augen führen. Überdies sorgen sie dafür, dass wir schneller bemerken, was wir unseren Erfahrungen hinzufügen.
Vorgehen
In der zweiten Woche führen Sie einen vierten Übungstag mit einer mindestens zwanzigminütigen Sitzung ein. Versuchen Sie beides unterzubringen, Meditation im Gehen und im Sitzen. Wenn Sie abends meditieren und vielleicht sehr müde oder im Gegenteil besonders aufgekratzt sind, empfiehlt sich zum Ausgleich Ihrer Energien eine Meditation im Gehen. Es kann auch sein, dass Sie den ganzen Tag am Schreibtisch gesessen und in Ihrem Kopf unterwegs gewesen sind und jetzt gern in den Körper zurückfinden möchten.
Manche der Meditationen dieser Woche beginnen wie in der ersten Woche mit der Konzentration auf den Atem, oder wir installieren den Atem als eine Art Anker, auf den wir immer wieder zurückgreifen können. Ansonsten wird der Atem jedoch nicht der einzige Brennpunkt unserer Aufmerksamkeit sein, und bei manchen Meditationen wird es überhaupt nicht um Atemgewahrsein gehen. Der Atem ist nur eines von etlichen Mitteln, mit denen wir unsere Aufmerksamkeit schulen. In diesem achtundzwanzigtägigen Einführungsprogramm möchte ich Sie mit möglichst vielen Techniken und Methoden vertraut machen, die Sie für sich nutzen können.
In der Körperempfindungs-Meditation zum Beispiel nutzen wir die Achtsamkeit, um zu verfolgen, wie wir automatisch an angenehmen Empfindungen festhalten und unangenehme loszuwerden versuchen. Dass wir alles, was wir denken, fühlen oder mit den fünf Sinnen aufnehmen, als angenehm, unangenehm oder neutral wahrnehmen, ist nur natürlich. Ob wir voller Behagen die Sonne im Gesicht spüren, uns eine Beleidigung anhören müssen, Musik hören, die Essensdünste aus der Küche riechen oder den Ärger in uns hochkommen fühlen – jede Erfahrung wird einer dieser drei Kategorien zugeordnet. Es ist einfach bei Menschen so.
An einer angenehmen Empfindung möchten wir gern festhalten, sie soll nicht vergehen. Das freilich geht nicht. »Das einzig Bleibende ist der Wandel«, soll Heraklit gesagt haben. Wir sehnen uns nach etwas Dauerhaftem, aber alles in diesem Universum – Gedanken, das Wetter, Menschen, Galaxien – ist vergänglich. Wir wissen, dass es so ist, und doch kämpfen wir dagegen an. Achtsamkeit macht uns fähig, unsere Freude an schönen Erlebnissen zu haben, ohne gleich noch etwas anzufügen, also ohne uns an das Angenehme zu klammern, damit es sich nur ja nicht ändert. Oft beschäftigt uns ja das Festhalten an lustvollen Erfahrungen so sehr, dass wir sie gar nicht erst genießen können.
Ich weiß noch, wie ich einmal die Achtsamkeit ganz aus den Augen verlor, als eine Freundin aus Kalifornien, die noch nie im Osten der Vereinigten Staaten gewesen war, einen Herbsturlaub bei mir in New England plante. Während ich also ihrer Ankunft entgegensah, war ich voller
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