Entdecke die Kraft der Meditation
etwas übel, und dann ist es wieder vorbei.
Die vier Schritte des achtsamen Umgangs mit Gefühlen – erkennen, annehmen, untersuchen und nicht identifizieren – sind auch auf Gedanken anwendbar. Mit unseren Gedanken sind wir häufig genauso identifiziert wie mit unserem Körper. Wenn wir uns bedrückt fühlen und bekümmerten Gedanken nachhängen, sagen wir uns: Ich bin ein trauriger Mensch. Wenn wir uns den Musikantenknochen anstoßen, sagen wir dagegen nicht: Ich bin ein weher Ellbogen. Vielfach nehmen wir einfach an, wir seien unsere Gedanken. Wir vergessen oder haben noch nie bemerkt, dass es da etwas in uns gibt, was das Auftreten und Vergehen dieser Gedanken betrachtet . Und darum geht es bei der Achtsamkeit: mit diesem Zeuge-Bewusstsein in Kontakt zu treten. Ich fordere meine Schüler manchmal auf, sich Gedanken als Besucher vorzustellen, die bei ihnen anklopfen. Die Gedanken wohnen nicht bei Ihnen, Sie können sie begrüßen und wahrnehmen und dann zusehen, wie sie wieder gehen.
Achtsamkeitspraxis soll das Denken nicht unterbinden. Sie hilft uns vielmehr zu erkennen, was wir jeweils gerade denken und was wir jeweils gerade fühlen.
In der Achtsamkeit können wir unsere Gedanken verfolgen. Wir sehen, wie sich einer aus dem anderen ergibt. Wir können beurteilen, ob wir uns gerade auf Abwege begeben, und wenn es so ist, können wir loslassen und die Richtung ändern. Die Achtsamkeit lässt uns erkennen, dass wir viel mehr sind als unsere angstvollen, neidischen oder ärgerlichen Gedanken. Wir finden Ruhe in der Wahrnehmung des Gedankens oder, falls es ein beunruhigender Gedanke ist, in dem Mitgefühl, das wir uns selbst entgegenbringen, in der nüchternen Gelassenheit, zu der wir gelangen, während wir entscheiden, ob und wie wir diesen Gedanken in Aktion umsetzen.
Die schwierigen Fünf: Emotionale Grundhindernisse
Im Verlauf der Geschichte haben kluge Beobachter des menschlichen Verhaltens immer wieder auf eine Kerngruppe unvorteilhafter menschlicher Neigungen hingewiesen, die unserem Glück abträglich sind. Es sind innere Zustände, die uns beim Meditieren ablenken und auch im Alltag immer wieder ein Bein stellen. Diese fünf Grundtendenzen sind Verlangen, Widerwille, Trägheit, Unrast und Zweifel. Sie nehmen die unterschiedlichsten Erscheinungsformen an, die Ihnen sicher nicht unbekannt sind. Zum Verlangen oder Begehren gehören Habgier, Festhalten, Habenwollen und Anhaftung. Widerwille kann sich als Hass, Zorn, Angst oder Ungeduld zeigen. Trägheit ist nicht nur Faulheit, sondern kann auch ein Abstumpfen oder Abschalten sein, wir kappen die Verbindung, weil wir uns überfordert fühlen, wir werden schwer und unlustig. Das scheint schwierig zu werden, ich glaube, ich mach lieber ein Nickerchen. Unrast kann sich als ängstliche Anspannung zeigen, als Sorgen, Gereiztheit oder Aufregung. Und mit Zweifel ist hier nicht das durchaus gesunde Hinterfragen der Dinge gemeint, sondern eher die Unfähigkeit, sich für etwas zu entscheiden oder zu engagieren. Dieser Zweifel macht uns bewegungsunfähig. Wir wissen nicht, was weiter zu tun ist. Zweifel verhindern, dass wir uns ganz auf etwas einlassen, zum Beispiel auf Beziehungen oder die Meditation, und lassen damit kein wirklich tiefes Erleben zu.
Ich gebe meinen Schülern gern eine von Sylvia Boorstein erzählte wahre Geschichte weiter, die zeigt, wie diese fünf Hindernisse in unserem Leben wirken. Eine Frau aus ihrem Bekanntenkreis verließ eines Morgens ihre Wohnung, um zur Arbeit zu fahren. Ihr Auto hatte sie auf der Straße geparkt. Doch als sie zu dem Wagen kam, musste sie entsetzt feststellen, dass alle vier Räder gestohlen worden waren. Wie reagierte Sie? Schnurstracks ging sie ins nächste Einkaufszentrum und kaufte sich zum Trost erst einmal einen Seidenschlafanzug. Erst dann konnte sie wieder nach Hause gehen und die Polizei anrufen. Hier wird sehr treffend dargestellt, wie Verlangen in Aktion aussieht. Die Frau konnte sich der Realität des Vorgefallenen überhaupt erst zuwenden, nachdem sie sich mit der Befriedigung eines materiellen Wunschs Mut zugesprochen hatte.
Die Geschichte geht hier aber weiter, denn Sylvia Boorstein versucht sich vorzustellen, wie Menschen mit anderen inneren Hindernissen wohl auf diese Situation reagieren würden. Wenn jemand zu Widerwillen und Ärger neigt, wird ihn der Reifendiebstahl sicher wütend machen. Vielleicht tritt er dann in seiner Wut gegen den Wagen oder schimpft auf die Nachbarn, weil sie nichts gesehen
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