Entdecke die Kraft der Meditation
– wie die Meditation überhaupt – immer wieder vor Augen, dass sich die Dinge ständig ändern. Während einer Meditation treten alle möglichen Gefühle auf, werden vermerkt und verabschieden sich wieder. Manche sind angenehm, andere beunruhigend oder neutral. Sie entstehen, sie vergehen. Wir haben nichts weiter zu tun, als sie urteilsfrei zu konstatieren, einfach die Wahrheit dieses Augenblicks zu sehen und zu atmen.
In meiner Anfängerzeit verstand ich es, diese simple Methode für den Umgang mit Ablenkungen selbst zu etwas Ablenkendem zu machen. Ich überlegte nämlich beim Sitzen: Ist das jetzt Schmerz oder einfach ein Unbehagen? Qualvoll kann man es nicht nennen, das wäre übertrieben, aber irgendwie quälend ist es eigentlich doch. Ich betätigte mich also als eine Art menschliches Synonymwörterbuch und verlor so meine tatsächliche Erfahrung aus den Augen. Doch bald merkte ich, dass es nicht um das genau treffende Wort geht, sondern um eine kurze Bezeichnung dessen, was sich gerade zeigt, einfach damit wir nicht von einer Flut von Gedanken mitgerissen werden. Das muss keinen höheren Ansprüchen genügen, wir sollen nur die Dinge ganz ruhig zur Kenntnis nehmen: Aha, das geht jetzt gerade vor sich. Traurigkeit. Eine Erinnerung.
Manche meiner Schüler weisen gern (und mit einer gewissen Schadenfreude) darauf hin, dass inneres Konstatieren ja auch eine Form des Denkens darstellt. »Ist es nicht so, dass wir beim Meditieren von unseren Gedanken lassen sollen?« Ich räume dann ein, dass ein innerer Vermerk sicher ein Gedanke ist, aber er ist eben eine »geschickte« Anwendung des Denkens, die uns hilft, bewusst zu bleiben, damit wir uns nicht in Gedanken verlieren oder von ihnen mitgerissen werden. Bedachtsames Konstatieren verweist uns auf den Augenblick und auf das Atmen zurück.
Sie brauchen das innere Konstatieren nicht ständig anzuwenden; möglicherweise genügt es, einen Gedanken oder ein Gefühl einfach zu vermerken. Es kann aber ein schneller Zugang zu einem klaren Kontakt mit unserer inneren Erfahrung sein.
Denken Sie auch daran, dass unsere Gefühle nicht immer so eindeutig und fest gefügt sind. Trauer beispielsweise kann Momente des Kummers, der Angst oder der Hilflosigkeit haben, vielleicht sogar Augenblicke der Erleichterung, der Vorfreude, der gespannten Erwartung. Versuchen Sie, das Gefühl in seine Bestandteile zu zerlegen. Achten Sie auf all die verschiedenen Empfindungen. Finden Sie unter den negativen Anteilen auch positive? Oder gibt es im Positiven etwas Negatives als Geschmacksnote? Wenn Sie nah am Gefühl bleiben und die verschiedenen Anteile herauslösen, wird Ihnen vielleicht auffallen, dass eine scheinbar massive Mauer von Leid in Wirklichkeit ein ständig wechselndes Gemisch von Regungen ist. Das allein wird schon dafür sorgen, dass Sie besser mit dem Gefühl umgehen können.
Vielleicht fällt Ihnen auf, dass Sie die schwierigen Gefühle und die zugehörigen Körperempfindungen nicht an sich heranlassen wollen. Sie schieben sie weg oder schämen sich ihrer. Vielleicht lassen Sie sich auch ganz hineinsaugen und spielen dann einen Wortwechsel erneut durch oder erleben Wut, Ohnmacht und Demütigung noch einmal.
Die ausgelösten Gefühle können so überwältigend sein, dass Sie weinen müssen. Das darf ruhig sein, es gehört mit zu dieser Erfahrung. Gleichzeitig können Sie auch wieder bewusst wahrnehmen, was die Tränen in Ihnen auslösen: wie Ihr Körper reagiert, was für Gefühle mit dem Weinen einhergehen, welche Geschichten Sie sich darüber erzählen. In Ihre Tränen könnten sich ein Bedauern oder auch Ärger mischen, vielleicht auch die Befürchtung, dass die Tränen nie wieder aufhören werden.
Wenn Sie die Gefühle als überwältigend empfinden, kehren Sie zum Atemgewahrsein zurück, um Ihre Aufmerksamkeit im Körper zu verankern. Das hilft Ihnen, wieder im gegenwärtigen Augenblick anzukommen. Sie denken zum Beispiel: Ich werde immer so empfinden oder Wenn ich stärker/geduldiger/klüger/gütiger wäre, würde ich nicht so empfinden. Kehren Sie in diesem Fall zur schlichten Wahrheit des Augenblicks zurück, nämlich dass Sie da sitzen und auf Ihren Atem achten. Können Sie sehen, dass dieses Gefühl etwas Zeitweiliges ist und nicht das, was Sie sind ?
Wenn Sie sich bereit fühlen, öffnen Sie die Augen. Atmen Sie tief durch und entspannen Sie sich.
Wenn im weiteren Verlauf des Tages schwierige Gefühle auftreten, begegnen Sie ihnen mit Bewusstheit. Probieren
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