Entdecke die Kraft der Meditation
Schüler, der sich für die Idee erwärmte, alle bei der Achtsamkeitsmeditation hochkommenden alten Muster zu benennen, war ein neunundfünfzigjähriger Bauunternehmer, der gerade umsattelte und sich zum Gärtnermeister ausbilden ließ. »Was Sie über Tonbänder sagen, hat wirklich bei mir eingeschlagen«, sagte er. »Mir fiel nämlich auf, dass ich ständig ein Band mit dem Titel ›Ein kleiner Fehler‹ laufen habe. Bei der Meditation, in der es darum ging, sich an eine schwierige Situation zu erinnern, fiel mir der letzte Tag meines Meisterkurses ein. Ich hatte mir wirklich nichts erspart, um alles bestens vorzubereiten. Ich hatte ein ganzes Buch mit umfangreichen und detaillierten Notizen zu allen Pflanzen angelegt, ich hatte einen ausführlichen Bericht über mein Praktikum in einem großen Wassergarten geschrieben, wo ich für die Beaufsichtigung der freiwilligen Helfer zuständig war. Die Lehrerin überschüttete mich nur so mit Lob, fügte aber hinzu, ich hätte die Arbeitstrupps noch besser organisieren können, und machte dazu ein paar Vorschläge. Ich war wie vernichtet. Ich hatte das Gefühl, völlig versagt zu haben. Ein kleiner kritischer Hinweis löschte zwanzig lobende Bemerkungen aus. Bei der Meditation also stellte ich mir diesen Tag vor und sah, wie tief vertraut mir das alte Gefühl ist: ›Ein kleiner Fehler und du bist erledigt.‹ Ich weiß heute noch nicht, weshalb dieses Band läuft – aber jetzt nehme ich zumindest wahr, dass es läuft.«
Meditation ist so, als würden wir eine alte Dachkammer betreten und das Licht anknipsen. Bei Licht sehen wir alles: die Schätze, die wir mit Freude und Dankbarkeit wiederfinden, die staubigen Rumpelecken, die in uns den Wunsch wecken, einmal richtig aufzuräumen, und ein paar sehr unerwünschte Relikte, von denen wir angenommen hatten, wir wären sie längst los. Wir bieten all dem mit offenem, liebevollem Bewusstsein Raum.
Es ist nie zu spät, um Licht zu machen. Sie können ungesunde Gewohnheiten durchbrechen und alte Bänder anhalten, auch wenn sie schon sehr lange laufen. Wenn Sie das Licht in diesem Raum einschalten, wird es hell, und ob es vorher Minuten oder Jahre oder Jahrzehnte dunkel war, spielt keine Rolle. Licht flutet ins Zimmer, verbannt alles Schummrige und lässt Sie all das erblicken, was Sie bisher nicht sehen konnten. Es ist nie zu spät, sich einen Moment Zeit zu nehmen und nachzusehen.
Nicht-Tun
Und wenn Sie schon dabei sind, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen, können ein paar weitere Augenblicke auch nicht schaden.
Der taoistische Weise Tschuang-tse (Zhuangzi), der im vierten vorchristlichen Jahrhundert in China lebte, erzählt diese Geschichte: Ein Mann war so über den Anblick seines eigenen Schattens und seiner Fußstapfen bestürzt, dass er vor beiden davonzulaufen versuchte. Aber wohin er den Fuß auch setzte, überall gab es Abdrücke, und auch sein Schatten folgte ihm mühelos. Da dachte er, er müsse wohl noch schneller laufen. Er lief immer schneller und dann noch schneller und hielt nicht mehr an – bis er tot umfiel. Offenbar kam er nicht darauf, dass er nur aus der Sonne gehen musste, um keinen Schatten mehr zu werfen; dass er sich nur hinzusetzen und nicht mehr zu regen brauchte, um keine Fußspuren mehr zu hinterlassen.
Achtsamkeitsmeditation ist diese Entscheidung, still zu bleiben und in den Schatten zu treten, anstatt weiter vor schwierigen Gedanken und Gefühlen wegzulaufen. Wir bezeichnen Meditation manchmal als Nicht-Tun. Wir lassen uns nicht von unseren gewohnten Reaktionsmustern mitreißen, sondern bleiben ruhig und wachsam und ganz bei dem, was ist. Wir berühren es tief und lassen uns davon berühren. Wir nehmen so schlicht und direkt wie nur eben möglich wahr, was geschieht.
Jemand von der Insight Meditation Society hat das nicht ganz ernst gemeinte Motto geprägt: »Besser nichts tun als Zeit vergeuden.« Es gefällt mir ausnehmend. »Nichts tun« heißt in diesem Fall, dass wir vieles von dem, was wir normalerweise tun, einmal weglassen. Wir klammern uns nicht an unsere Erfahrung, wir schieben sie nicht weg. Dadurch stellen sich uns die Dinge anders dar, wir gewinnen neue Einsichten, erschließen uns neue Kraftquellen. Stilles Dasitzen und achtsames Betrachten ist eine besonders produktive Form des Nicht-Tuns. Davon spricht Pablo Neruda in seinem Gedicht »Still bleiben«:
... Wären wir weniger darauf bedacht,
unser Leben in Bewegung zu halten,
und könnten einmal nichts tun,
vielleicht
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