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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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überlassen und den Kliniken keinen Personalschlüssel gesetzlich vorschreiben. In einem pauschalen Vergütungssystem hätten solche gesetzlichen Normen keinen Platz, heißt es in dem von FDP -Minister Bahr geleiteten Ministerium.
    Stichhaltig ist diese Begründung nicht, denn auch in anderen Bereichen findet Wettbewerb innerhalb gesetzlicher Vorgaben statt. Flugzeuge dürfen zum Beispiel nur mit einer gesetzlich definierten »minimal crew« starten. Warum also Krankenstationen nicht? »Wir sehen doch, dass der Markt es nicht regelt«, betont Michael Isfort. »Worauf warten wir noch?«
    Auch für Patienten ist nicht transparent, mit wie viel Pflegepersonal die Krankenstationen ausgestattet sind. Der Gesetzgeber hat die Krankenhäuser zu Beginn des DRG -Zeitalters verpflichtet, sogenannte Qualitätsberichte zu veröffentlichen. Dort soll man als Patient nachlesen können, wie häufig es beispielsweise nach dem Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks zu einer Entzündung kam. Diese Qualitätsberichte sollen es Patienten ermöglichen, auf dem Krankenhausmarkt als »Kunden« aufzutreten und das beste Krankenhaus auszusuchen. Doch in Wirklichkeit gleichen diese Qualitätsberichte oftmals einem Zahlenfriedhof, auf dem sich Patienten kaum zurechtfinden. Und zu einem wichtigen Punkt erfahren die Patienten überhaupt nichts. Die Krankenhäuser wurden vom Gesetzgeber nicht verpflichtet offenzulegen, wie viele ausgebildete Pfleger und Schwestern vorhanden sind, um Patienten zu versorgen, wie viele Fachkräfte mit entsprechenden Zusatzqualifikationen darunter sind und wie viele angelernte Kräfte.
    Bitteres Fazit: Der Gesetzgeber schreibt nicht vor, wie viele Pflegekräfte auf einer Intensivstation oder auf einer chirurgischen Station notwendig sind, die Kliniken müssen solche Daten nicht angeben. Der Markt und der Wettbewerb sollen alles regeln – aber die Patienten können und sollen nach wie vor nicht wissen, ob genügend Schwestern und Pfleger auf der Station sind, um nach einem Eingriff gut versorgt zu werden, und ob das Personal auch qualifiziert genug ist.
    Übrigens: Hermann Schulte-Sasse, der Mann, der als Abteilungsleiter der grünen Ministerin Andrea Fischer die Einführung der DRG maßgeblich vorangetrieben hat, wurde später Staatsrat und Senator für Gesundheit in Bremen. »Dieser gefährliche Abbau von Pflegepersonal war absehbar«, sagt er heute. »Das Gesundheitsministerium in Berlin hätte rechtzeitig einschreiten müssen.« Im November 2011 stellte Bremen einen Initiativantrag im Bundesrat. Schulte-Sasse wollte per Gesetz vorschreiben, wie Krankenstationen besetzt werden müssen. Die Bremer Initiative scheiterte an der damals vorhandenen schwarz-gelben Mehrheit im Bundesrat.
    Ursel Sieber
    26 vgl. Reinhard Busse, RN4Cast, Prognosemodell für das Pflegepersonal, TU Berlin, S. 6
    27 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin (IQWiG): Arbeitspapier. Systematische Übersicht Pflegekapazität und Ergebnisqualität, Stand 7. August 2006
    28 »Menschen würdig pflegen? Das Recht auf qualifizierte Pflege«. Eine Diskussionsschrift, resultierend aus der Veranstaltung: »Menschen würdig pflegen – wohin führt uns die zunehmende Rationierung?« der Konrad Adenauer Stiftung am 27./28. Oktober 2011
    29 vgl. Pflege-Thermometer 2012 – Intensivpflege. Ein Konsortium der führenden britischen Intensivpflegeorganisationen spricht sich dafür aus, dass für einen beatmeten Patienten eine Pflegekraft zur Verfügung stehen sollte.
    30 Die Kliniken haben stattdessen mehr Ärzte eingestellt. Ein Grund ist die Arbeitszeitverordnung EU, ein anderer Grund, dass die Ärzte gebraucht werden, um die Fallzahlen zu steigern.

Die Helfer
N. N., zwei Pfleger
    Niemand im Krankenhaus kommt einem Patienten so nah wie ein Krankenpfleger, eine Krankenschwester. Über Tage und Wochen bringen sie Medizin, Ernährung, Sauberkeit. Sie sorgen für gutes Liegen oder Sitzen, sie können Blasenkatheter setzen, Darmeinläufe machen, eine Magensonde legen. Eigenverantwortlich oder mitverantwortlich. Sie können Wohlergehen spenden. Versorger, Beschützer und Vermittler sein – im Idealfall. Ich erlebte sie auch als heimliche Verbündete, wenn Komplikationen auftauchten. Sie besorgten die besser verträglichen Pillen, sie holten fix die Salbe gegen den fürchterlichen Herpes, den ich nach meinen Medikamentencocktails bekam. Wir tauschten tiefe Seifenoper-Blicke aus bei der Chefarzt-Visite, die besagten: Ärztliche Analysen gelten

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