Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)
Ihr Gynäkologe untersuchte sie und stellte fest, dass sie ihre Gebärmutter verloren hatte. Einfach nicht mehr da! Die Frau ist aus allen Wolken gefallen und hat dann ein Strafverfahren angestrengt. Das Strafverfahren hat zu nichts geführt. Warum? Der Arzt legte eine Einverständniserklärung vor, da stand drauf: Laparoskopie plus Hysterektomie. Also mit Gebärmutter entfernen. Aber meine Mandantin war absolut glaubwürdig, und deswegen haben wir einen Zivilprozess angestrengt. Mir kam dieses »plus Hysterektomie« ein bisschen komisch vor. Wir sahen ja nur Fotokopien von diesem Formular, kein Original. Aber es schien mir, als wenn das nicht in einem Rutsch geschrieben worden wäre. Wir haben vor Gericht die Originalunterlagen angefordert und zusätzlich die Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens. Der Richter fand heraus, dass manipuliert worden war. Und zwar so: In der Behandlungsakte befand sich auf einem Blatt die Einverständniserklärung mit diesem Zusatz »plus Hysterektomie«. Eine Seite später folgte der Operationsbericht, der ja logischerweise erst nach der OP gefertigt werden kann. Nun, auf dem Operationsbericht hatte sich ganz dünn das »plus Hysterektomie« durchgedrückt. Also, man sah auf dem Operationsbericht als ganz kleine Vertiefung die Worte »plus Hysterektomie«. Klar, die beiden Worte waren im Nachhinein eingefügt worden. Doch der Arzt bestritt das immer noch. Deshalb musste ein Sachverständiger gehört werden, der die Fälschung bestätigte. Gut, und da wurden sofort die Ansprüche reguliert. Solche Dinge passieren leider immer noch, auch bei den elektronischen Karteikarten. Hemmungslose Änderungen! Wie viele Patienten müssen sich überfordert fühlen, gegen ein Krankenhaus oder einen Arzt vorzugehen.
Es ist meine feste Überzeugung, dass nur eine Minderheit der geschädigten Patienten in Deutschland überhaupt den Mut oder das Wissen hat, etwas zu unternehmen. Aber weil die Medien Fehlbehandlungen usw. in den letzten Jahren sehr publik gemacht haben, geht die Klientel mittlerweile durch alle Schichten. Wir vertreten in etwa 2000 Mandanten, querbeet. Von der einfachen, alten Dame, die eine falsche Hüft- TEP eingesetzt bekommen hat und nicht mehr laufen kann, bis hin zum Direktor einer Fabrik, völlig egal, es geht durch die ganze Bevölkerung. Wir vertreten auch viele Ausländer, ich mache das gerne. Denn manchmal gewinnt man den Eindruck, dass die Ausländer im Krankenhaus auf die Schnelle behandelt werden. Es ist schon teilweise abenteuerlich, wie unaufgeklärt Ausländer in Operationen hineingehen, keiner nimmt sich die Zeit, einen Dolmetscher einzuschalten.
Patienten kommen zu uns und fragen: »Ja, hat denn das überhaupt Zweck, gegen ein Krankenhaus vorzugehen? Habe ich da eine Chance?« Viele sind skeptisch am Anfang. Ich versuche immer zu erklären, dass ein solches Verfahren durchaus erfolgversprechend ist, aber natürlich keine Erfolgsgarantien bestehen. Den positiven Ausgang eines Rechtsstreits kann man als Anwalt seriöserweise nicht garantieren. Und ich weise darauf hin, dass man falsche Wege einschlagen kann und damit letztendlich die eigenen Ansprüche eher verschüttet, als dass man sie realisieren kann. Der falsche Weg ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mit Schaum vor dem Mund zu sagen: »Den Arzt will ich jetzt strafrechtlich belangen. Ich möchte ihn am liebsten hinter Gittern sehen.« Aber von extremen Ausnahmefällen abgesehen besteht keine Möglichkeit, einen Arzt strafrechtlich zu belangen. Statistisch gesehen führt eine Strafanzeige so gut wie nie zum Erfolg. Von 1000 Strafanzeigen gegen Ärzte führen nur zwei bis drei zu einer Verurteilung. Dann meistens nur auf niedrigstem Niveau, eine kleine Geldstrafe, die der, ehrlich gesagt, aus seiner Portokasse bezahlt. Richtig bestraft wird ein Arzt nicht, meistens werden die Verfahren eingestellt. Warum? Weil im Strafrecht andere Beweisregeln gelten als im Zivilrecht. Im Strafrecht geht’s dem Staat ja darum, dem Beschuldigten ein Fehlverhalten nachzuweisen, und wenn es nachgewiesen ist, soll es geahndet werden. Mit den Möglichkeiten des Strafrechtes. Und da gilt der Grundsatz in dubio pro reo, also »im Zweifel für den Angeklagten«. Dies führt dazu, dass Ärzte fast immer mit einer weißen Weste aus solchen Strafverfahren herauskommen. Denn der Staatsanwalt, der ja kein Mediziner ist, muss einen Gutachter einschalten. Der Gutachter ist vom Fach und sieht: »Aha, mein Kollege ist hier belastet,
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