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Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition)

Titel: Enteignet: Warum uns der Medizinbetrieb krank macht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sonia Mikich
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dem droht das Schlimmste, Approbationsentzug oder sonst was Dramatisches. Den möchte ich nicht gerne belasten.« Daraus resultieren regelrechte Schutzgutachten, die abenteuerlich sind, vor lauter Kollegialität.
    Aber selbst die sehr kritischen Gutachter, mit denen wir zusammenarbeiten, sagen oftmals: »Die Hürde im Strafrecht ist ja viel höher, dort muss ich nachweisen, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, das heißt 100 Prozent, dieses Fehlverhalten des Arztes ursächlich ist für den tragischen Verlauf.« Ein Beispiel: Eine Infektion tritt ein, nicht rechtzeitig erkannt, Patient schwebt zwischen Leben und Tod, kann mühsam gerettet werden. Der Vorwurf lautet: Viel zu spät reagiert. Hunderte oder schon Tausende solcher Fälle haben wir vertreten. Strafrechtlich kommt dabei nichts raus, in der Regel. Der Gutachter kann nicht hundertprozentig bestätigen, dass der Verlauf anders gewesen wäre, hätte der Arzt früher CRP -Werte bestimmt oder sonst etwas. Langer Rede kurzer Sinn: Ein Strafverfahren ist fast immer aussichtslos; es bewirkt eine Verhärtung der Fronten, die ohnehin nicht gerade weich sind, und führt in der Regel zum gegenteiligen Effekt. Der Patient wäscht auf diese Art und Weise die Weste des Arztes weiß und erreicht eben nicht das, was er erreichen möchte.
    Manche Patienten wollen direkt Klage einreichen, weil sie eine Rechtschutzversicherung haben. Dazu muss man wissen, dass nach wie vor mindestens die Hälfte aller berechtigten Verfahren ohne Prozess reguliert werden. Die Richter drängen oftmals mit Nachdruck zum Abschluss eines Vergleiches. Warum? Sie sind vom Gesetz her durch die Zivilprozessordnung gehalten, in jedem Stadium des Verfahrens die Frage eines Vergleiches zu prüfen. So kommt es oftmals zu Vergleichen, die weit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Im Alltag erleben wir, dass wir außergerichtlich oftmals höhere Beträge realisieren können als im gerichtlichen Verfahren. Versicherer sind, wenn man sie überzeugt hat, eher bereit, eine vernünftige Pauschale zu zahlen, als jahrelang zu prozessieren. Das Strafverfahren ist nicht gut, bringt in der Regel gar nichts.
    Ebenso wenig ist es sinnvoll, mit Schaum vor dem Mund den Arzt vernichten zu wollen. Nachvollziehbar, ja, wenn jemand schwer geschädigt wurde, wenn jemand seinen Partner verloren hat, das Kind behindert ist, keine Frage. Die Wut ist dann enorm groß. Aber in der Regel treten die Ärzte nicht unbedingt an, um vorsätzlich zu schädigen, sondern es passiert ein Fehler, und das ist leider menschlich. Nur die Folgen sind extrem für die Betroffenen. Also, ein Opfer sollte versuchen, mit etwas Distanz die Dinge zu betrachten. So schwer das auch fällt.
    Wie geht man da vor? Ich nenne mal ein banales Beispiel, bei dem ich von der Schweigepflicht entbunden bin. Eine Mandantin ging ins Krankenhaus, um eine Schulterarthroskopie machen zu lassen, ihre linke Schulter schmerzte. Der Arzt im Krankenhaus lachte noch vorher und sagte: »Damit wir nichts verwechseln, malen wir jetzt einen Smiley auf die Schulter.« Hat sich wirklich so zugetragen. Die Patientin wacht auf aus der Narkose und muss feststellen, dass ihr linkes Knie operiert worden ist und nicht die linke Schulter. Sie sagt dem Arzt etwas unbedacht: »Da muss doch irgendetwas schiefgelaufen sein, es sollte die Schulter operiert werden und nicht das Knie.« Ihr Arzt erkannte natürlich sofort, was los war: »Nein, nein, das andere werden wir auch noch machen, aber Ihr Knie war ja ganz kaputt, wie wir festgestellt haben. Zum Glück haben wir das operiert. Das war für Sie nur von Vorteil.« Und später kam der Ehemann und fragte, ob das auch wirklich alles so in Ordnung sei, ob man nicht die Versicherung einschalten müsse. Da wurde der Arzt ganz böse: »Nein, nein. So nun nicht. Wir haben Ihrer Frau ja geholfen, und die Schulter machen wir jetzt auch!« Abenteuerlicher Vorgang, abgesehen davon, dass er hinterher noch versucht hat, diese fehlerhafte Behandlung abzurechnen bei der Krankenkasse. Das war schon fast strafrechtlich relevant.
    Die Mandantin kommt also zu mir und fragt, ob sie etwas unternehmen soll gegen den Arzt. Wichtig ist erst einmal, dass sie den Sachverhalt schriftlich festhält, ein Protokoll macht. In diesem Fall war es ein einfacher Sachverhalt. Ich empfehle immer, den Sachverhalt so gut wie möglich zu dokumentieren. Zeugenaussagen aufzuschreiben. Ob das der Zimmernachbar war, den man am Ende ausfindig machen kann, ob das die

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