Entfernte Verwandte: Kriminalroman
Matti.
»Nach Hyrylä«, wiederholte ich.
»Na, Herr Direktor, wie geht’s? Darf es ein Avensis sein?«, begrüßte mich der Autohändler Ruuskanen strahlend. Sein kugelrunder Bauch wabbelte fast unmittelbar unter seinem Doppelkinn, und der hoch oben zugeschnürte Gürtel ließ seinen Brustkorb merkwürdig kurz erscheinen. »Viele sorglose Kilometer. Und was japanische Ingenieure entwickeln, das kippt nicht und bleibt nicht stecken. Das Wägelchen fährt und summt und singt, Juchhu, juchhe, Sorgen ade, Viktor Kärppä fährt zur See …« Ruuskanens Verkaufsgespräch wurde zum Geträller.
»Nein, darf es nicht. Danke für den Leihwagen. Über die Bezahlung reden wir, wenn du mal Hilfe beim Bauen brauchst. Und heißt es in dem Lied nicht irgendwo, dein Boot ist klein, ein Spielball der Wellen? Mit anderen Worten, Viktor Kärppä kauft kein japanisches Auto.«
»Oho! Ein Russenjunge zu Land, zur See und in der Luft, aber er kennt Malmsténs Lieder von A bis Z«, wunderte sich Ruuskanen.
Er legte den Kopf schräg und spitzte die fast feminin geschwungenen Lippen. Von seinem Mund abgesehen, war nichts an ihm nach klassischem Maßstab schön. Er war ein mittelgroßer, untersetzter Mann, der unter seinem Gewicht schnaufte. Das dichte, gewellte Haar über seinem geröteten Gesicht wirkte wie nachträglich hinzugefügt, als hätte ein Kind einen Mann gezeichnet und zum Schluss mit einem zu dicken Buntstift den Schopf gemalt.
»Klar, lass dir Zeit mit der Bezahlung. Auch wenn ich nicht die Heilsarmee bin«, brummte Ruuskanen. Ich wusste, dass er sich ärgerte, sowohl über den Verlust des Geldes als auch über seinen eigenen Geiz. Ruuskanen war ein kleiner Geschäftsmann, in seinem Beruf waren Gier und skrupelloses Profitstreben lebensnotwendig.
Ruuskanen hatte an der äußeren Umgehungsstraße einen Gebrauchtwarenhandel betrieben, mit einer kleinen Blockhütte als Büro. Allmählich hatte er seine Firma erweitert, Gebrauchtwagen aus Mitteleuropa importiert und eine Halle in Hyrylä gebaut. Auch den Firmennamen hatte er aufgebauscht, zu Global-Auto Ruuskanen, hatte sicher davon geträumt, bald eine ganze Kette von Autohäusern zu besitzen und viele große Marken zu vertreten.
Aber manch anderer hatte dieselbe Geschäftsidee gehabt, und bald war Finnland voll von Importwagen aus Deutschland, Vorbesitzer ein alter Opa in Hannover, alle Quittungen vorhanden. Besonders Schlaue holten sich ihren BMW oder Mercedes selbst, ohne Zwischenhändler. Selbst Ruuskanens Halle wirkte verfallen und deprimiert. Die hoffnungsfrohen Schilder waren verblasst, und die Wand war mit einem klobigen Graffiti besprüht.
»Verdammt noch mal, die Scheiß-Esten – entschuldige, Viktor, ich bündele die Menschen nach Herkunft und Nationalität –also, die verfluchten Balten haben mir endgültig das Geschäft verdorben. Die kaufen sämtliche Autos auf und verhökern sie auf irgendwelchen Äckern an der Via Baltica«, erklärte Ruuskanen, dem mein Blick in die Halle nicht entgangen war. »Sie klauen Nobelwagen und zerlegen sie in ihre Einzelteile. Lenkradschlösser helfen da nicht viel«, fügte er mit tiefer Stimme hinzu und nickte, als wolle er seiner Aussage größeres Gewicht geben.
Ich verkniff mir die Bemerkung, dass auch in Ruuskanens Werkstatt Autos in nicht mehr identifizierbare Einzelteile zerlegt und auf dem Gestell eines Schrottwagens wieder zusammengeschweißt worden waren, und dann nichts wie ab über die Grenze, mit einer sauberen Chassisnummer als Garantie für Legalität. Einige Bestellungen hatte ich sogar selbst an Ruuskanen weitergeleitet, aber vom eigentlichen Handel hatte ich mich ferngehalten. Die Kunden waren suspekt, die Ware musste bei Gaunern bestellt werden, beim Umbau der Wagen brauchte man notgedrungen mehrere Männer, und man musste nicht nur vor der Polizei auf der Hut sein, sondern auch vor Versicherungsdetektiven … Meiner Risikoanalyse nach waren zu viele gefährliche Faktoren im Spiel.
»Ich habe vielleicht ein Business für dich«, sagte ich. »Ein legales«, präzisierte ich, als ich Ruuskanens verschlagenes Grinsen sah.
»Bekannte aus Sortavala und Kontupohja haben sich nach alten Bussen für den Stadtverkehr erkundigt. Sie wollen die Ikarusse und sonstigen Ostkarren loswerden. Du hörst dich hier nach Bussen um, die abgestoßen werden, und kaufst sie en gros. Die Busunternehmer sind froh, wenn sie die Dinger loswerden. Dann lässt du sie rasch warten und schickst sie im Treck über die Grenze«,
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