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Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Entfernte Verwandte: Kriminalroman

Titel: Entfernte Verwandte: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matti Rönkä
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Wildfremden. Man muss sich um seine Mitmenschen kümmern, das ist schon richtig«, gab Marja überraschend zu.
    Sie drehte sich auf die Seite, mit dem Gesicht zu mir. Ich blickte ins Halbdunkel und wusste, dass sie mich mit ernstem Blick ansah, obwohl ihre Augen unter den in die Stirn gefallenen Haaren halb verborgen waren. Marja, wie ein Fuchsjunges, oder vielleicht eher wie eine Fuchsmutter.
    »Und diese Xenja macht einen vernünftigen Eindruck. Sie hat mir gleich ihre Hilfe angeboten, wirkt ordentlich und sauber. Die beiden werden ja sicher ein paar Tage hierbleiben, da kann sie vielleicht auf Anna aufpassen. Wo mag wohl ihr Mann stecken? Vielleicht macht er bloß eine Sauftour, dieser Paavo.«
    »Pawel trinkt nicht.«
    Ich machte mir nicht die Mühe, zu erklären, dass Pawel ein wenig anders oder besser gesagt, simpel war. Aber anständig war er, daran konnte kein Zweifel bestehen. Und auch Xenja schien ihr Leben wieder im Griff zu haben, obwohl sie in früheren Jahren auf die schiefe Bahn geraten war. Irgendein Verwandter hatte sie gerettet, hatte sie von den St. Petersburger Straßen geholt, wo sie gefixt und sich verkauft hatte.
    Ich erinnerte mich, dass Mutter mir davon erzählt und später die Vermutung geäußert hatte, Sergej sei womöglich nicht Pawels Sohn. Ist vielleicht auch besser so, hatte Mutter gemeint und hinzugefügt, Vaterschaft sei überhaupt ein relativer Begriff. Pawel hält den Jungen für seinen Sohn, damit basta, und jetzt trinkt eure Milch, Kinder.
    »Sie sind beide anständige Leute, Paavo und Xenja«, sagte ich, doch Marja schlief bereits.
     
    Am nächsten Morgen hatte ich gerade meinen Kaffee ausgetrunken, als es klingelte. Ich ging zur Tür und öffnete. Auf der Eingangstreppe stand ein alter Opa, die karierte Schirmmütze in der Hand. Unter dem Arm trug er eine braune Ledertasche, der man schon von außen ansah, dass sie säuberlich gestapelte Papiere enthielt, die zur Hälfte überflüssig und zur Hälfte unklar waren.
    Der Alte stellte sich vor. Antti Hiisku, ein entfernter Verwandter, er stamme aus Miikkulainen, aus dem Dorf Toksova. Und da er ganz in der Nähe wohne, in Hiekkaharju – schau, der Zug fährt alle naselang – und gehört habe, Kärppäs Sohn Viktor kenne sich mit den Bumagas in diesem Land aus … also, ob ich mir vielleicht einmal diese Staatsbürgerschaftssachen ansehen könnte und den Rentenantrag, und seine Frau habe da so einen seltsamen Brief bekommen …
    »Kannst mir helfen?«, fragte der Opa.
    »Na, ich guck’s mir mal an«, versprach ich.
    Antti Hiisku trat ein, schnallte seine Tasche auf und reichte mir sein Mitbringsel, eine Pralinenschachtel.
    »Lass es dir schmecken«, sagte er.
    Ich öffnete die Schachtel. Die Pralinen waren einzeln eingewickelt, auf den Papierchen prangten Bilder von Iljuschin-Flugzeugen. Ich steckte eine Praline in den Mund und genoss den vertrauten, kratzig dunklen Geschmack.

18
    Es gefiel mir überhaupt nicht, dass ich in einen Pistolenlauf starren musste. Aus einem halben Meter Entfernung war es völlig gleichgültig, ob die Waffe ein Kaliber von zweiundzwanzig Zoll oder neun Millimetern hatte. Aus dieser Distanz war die Kugel mit Sicherheit tödlich, unabhängig von ihrem Durchmesser.
    Ich hatte keine Waffe dabei. Meine CZ -Pistole lag im Kofferraum, in einem weich gefütterten Etui zwischen dem sonstigen Werkzeug.
    Vielleicht ist es besser so, dachte ich. Wjatscheslaw Bursow hatte Angst. Der vor Entsetzen zitternde Mann würde womöglich unvorhersehbar schnell schießen. Wenn sein Zeigefinger sich im Reflex auf meine Bewegungen verkrampfte, konnte ein Schuss losgehen, ohne dass er es wollte. Einem ausgeglichenen, ruhigen Menschen konnte man die Waffe leichter aus der Hand schlagen oder treten als einem furchtsamen Junkie, aber besonnene Musterbürger richteten selten eine Pistole auf mich.
    »Hör mal, Slawa. Du hast mehr Angst vor dem Ding als ich«, sagte ich ruhig, gab ihm zu verstehen, dass mich die Waffe nicht kümmerte. »Du bittest mich wohl herein.«
    Langsam ging ich an Bursow vorbei.
    In der Hütte herrschte Halbdunkel, doch ich sah, dass der Bewohner seine Arbeit nicht mit nach Hause gebracht hatte.Die Küche starrte vor Schmutz, und Slawa Bursow war Putzmann. Oder war es jedenfalls gewesen. Er hatte die Aufgabe gehabt, meine Wohnungen in der Punavuorenkatu sauber zu halten und zu überwachen, aber als ich ihn zuletzt gesehen hatte, lag er bewusstlos in einer der Buden, auf die er aufpassen sollte.
    »Du bist

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