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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Royal Court so wichtig. Deshalb diese Sätze in beiden Sprachen auf der Bühne gesagt werden mussten. Mit allen Stimmen. Und damit das Elend von innen und außen. Wenigstens beschrieben. Selma nahm Valerie Vanhagen. »Rita’s Recipe«. Sie hatte nicht so viel Zeit. Sie sah auf ihrem handy nach. Es war 12 Uhr 30. Sie ging an die Kassa. Suchte ihre Geldbörse aus der Tasche. Sie legte das Buch und die Zeitung auf die Theke. Auf die durchsichtigen Behälter mit den Losen. »Cash«. »Schatztruhe«. »Ein Leben lang«. »Und einmal ›Ein Leben lang‹.« sagte sie. Das könne er aber nicht auf die Rechnung schreiben, murmelte der Mann. Selma nickte. Das mache 13 Euro 50 aus. Der Mann riss die Rechnung vom Block. Sie hielt ihm 20 Euro hin. Er gab ihr das Los und das Wechselgeld. Sie verstaute das Geld und das Los in der Börse. Dann wünsche er ihr Glück, sagte der Mann. Und dass das doch eine gute Form von Lebenslänglich wäre. Ob er wisse, ob das auch funktioniere. Ob das auch ausgezahlt werden würde, fragte Selma. Der Mann schüttelte den Kopf. Nein. Er wüsste von niemandem. Aber dieses Los. Das verkaufe sich am besten. Das wäre halt doch der Traum der Österreicher. 2500 Euro. Jeden Monat. Selma lächelte. Sie nahm ihre Zeitung und das Buch. Sie ging. Sie ging durch den duty-free-shop. An der Passkontrolle noch mehr Menschen. Der Gang zurück zu den anderen Terminals verstopft. Unpassierbar. Sie ging an den Vitrinen vorbei. L’Oréal. Lancôme. Dior. Shiseido. Clinique. Clarins. Estée Lauder. Kanebo. Nivea. Eucerin. Es war kühl. Das Licht gedämpft. Nur die Produkte beleuchtet. Sie fühlte sich unsichtbar. Im Dämmer schwimmend. Schokolade. Aber sie war zu müde. Zu unbeweglich. Sie hätte die Geldbörse nicht schon wieder aus der Tasche holen können. Sie ging. Wanderte. Kaum Menschen. Eine Frau probierte Guerlain-Lippenstifte aus. Sie stand über die Lippenstifte gebeugt. Strich sich die Farben auf den Handrücken. Studierte die Farben auf ihrer Haut. Selma ging an der Kassa vorbei. Die Angestellten standen noch immer um die Kassa ganz links. Und tratschten. Niemand sah sich nach ihr um. Videoüberwachung, dachte Selma. Da saß irgendwo jemand. Hinter einer dieser Wände mit Clinique. Oder Lauren. Die Döschen und Flaschen vor dem schneeweißen Licht in den Regalen. Und starrte auf die Bildschirme der Überwachungskameras. Sie machte sich nicht die Mühe, nach den Kameras zu suchen. Herauszufinden, von wo aus sie gesehen wurde. Gesehen worden war. Es war ihr gleichgültig. Sie hatte keine Energie für solche Überlegungen. Sie kam wieder beim Caviar House heraus. Sie folgte dem Gang rechts. Sonnenbrillen. Palmers. Wolford. Die Sektbar. Sie bog in den Gang zu den C Gates ein. Der Boden ansteigend. Sie stapfte hinauf. Der Gang lang und steil. Sie wurde überholt. Menschen hasteten an ihr vorbei. »Wenn man viel Geld verdient.« Rollkoffer rumpelten an ihr vorbei. Alle gingen schneller als sie. Sie ging die Geschäfte entlang. Die Cafés. Sie war froh, die Zeitung und das Buch schon gekauft zu haben. Auf den Bänken entlang der Fenster schliefen Menschen. Sie hielten ihre Taschen umfangen. Hatten die Taschen unter den Kopf gelegt. Sie lagen aufgereiht. Die Gesichter. Schlafentleert. Selma ging. Volksmusik. Ein Schwall ankommender Passagiere. Sie kamen den Gang bergab. Die zu den Gates gehenden Menschen mussten ausweichen. Selma wurde von einer Frau mit einem großen roten Rollkoffer angestoßen. Die Frau sah sie böse an. Vorwurfsvoll. Selma ging weiter. Duty-free-shop. Kleider. Koffer. Spielzeug. Kosmetika. Etro. Mandarina Duck. Ausverkauf. Technomusik aus dem music store. Zeitungen und Bücher. Vor den Toiletten zwei Schlangen. Nach Männern und Frauen geteilt. Der Brunnen. Der rosarote Steinbrunnen. Menschen rundherum saßen. Der Brunnen. Das Wasser aus Löchern im Stein quellend. Spots auf diese Quellen gerichtet. Sonst alles dunkel. Tageslicht weit hinten. Ein Fenster im Café. Gestrandet. Selma ging vorbei. Verloren. Die Hässlichkeit. Die banale Hässlichkeit dieses Brunnens. Dieses Terminals. Diese Lichtlosigkeit. Die blauen Metallbänke, auf denen die Erschöpften. Der Brunnen, der rosiges Gekröse wasserumspielt. Und dann nicht einmal ein Clo. Auf der Tafel über ihrem Gate war »changed« angezeigt. Und dass sie zu Gate 51 gehen musste. Sie ging da hin. Eine Menschenschlange über den ganzen Platz. Sie stellte sich an. Stand da. Rückte vor. Immer wieder gingen Menschen nach vorne. Links. Gingen

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