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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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immer bewältigt. Und schlimmstenfalls musste sie eine der Stewardessen bitten. Die machten das nicht gerne. Die wollten nur Männer, die flogen. So wie der, der jetzt beim Ausgang stand. Ungeduldig. Fordernd. Die brauchten solche Männer. Mit denen konnten sie flirten. Für die zahlte es sich aus, etwas zu tun. Da konnten diese Frauen ihre mühsamen Arbeitsbedingungen über diese Belohnung ausgleichen, die sich diese Frauen dann ohnehin auch noch selber vorstellen mussten. Aber da hatten die wenigstens den Mythos, diesen Männern zu Diensten zu sein. Da konnten sie davon träumen, einer von denen würde sie mitnehmen und erhalten. Bis ans Ende ihrer Tage. Das war eine Abspeisung. Aber Frauen ließen sich abspeisen. Mit so einem Mythos. Hatten sich immer so abspeisen lassen. Selma schaute der Stewardess zu. Schaute auf ihre tomatenroten Strümpfe. Das hatte sie zumindest nicht gemacht. Für die Belohnung durch das Lächeln eines Mannes sich die Farbe der Strümpfe diktieren lassen. Aber das war wahrscheinlich der einzige Unterschied. Die Frau beugte sich über das Mikrophon. Der Abflug würde sich um eine halbe Stunde verspäten. Die Maschine wäre eben erst gelandet. Die Fluggesellschaft bedauere diese Verspätung. Die sei auf die Überlastung des Flugraums um Heathrow zurückzuführen. Dann die Ansage auf Englisch. Die Frau hatte einen guten Akzent. Leicht amerikanisch. Hatte in Amerika gelernt. Austauschschülerin. Wahrscheinlich. Wahrscheinlich war sie mit 17 nach Amerika geschickt worden. Damit sie die Sprache. Bessere Chancen. Die Menschen gingen vom Gate wieder weg. Suchten sich wieder Sitzplätze. Einige mussten stehen. Es kamen noch Passagiere durch die Sicherheitskontrolle in den Raum. Die Sitzplätze alle besetzt. Neben Selma hatte sich ein Mann hingesetzt. Er war groß. Überragte Selma. Er saß aufrecht. Sah vor sich hin. Eine Frau. Seine Frau stand vor ihm. Sah auf ihn hinunter. Auch sie groß. Sie hatte eine große Plastiktasche auf den Boden gestellt. Die Tasche zwischen den beiden. Die Frau sah den Mann an. Selma machte weiter Ordnung in ihrer Tasche. Sie steckte das umgewechselte Geld in die Geldbörse für das englische Geld. Schob den Pass in das Seitenfach. Holte die Papiertaschentücher nach oben. Holte die Zeitung heraus. Das Buch. Womit wollte sie beginnen. Eine halbe Stunde Wartezeit. Und die Maschine noch nicht einmal am Gate. Da konnte es auch noch länger dauern. Sie musste aufs Clo. Aber wenn sie jetzt aufstand. Sie würde keinen Platz zum Sitzen mehr finden. Und ein Gepäckstück auf dem Platz liegen lassen. Diese Frau. Die da ihren Mann anstarrte. Die würde sich da hinsetzen. Oder die Sicherheitsleute holen. Wegen des unbeaufsichtigten Gepäckstücks. Sie musste aufs Clo gehen, wenn das Boarding begann. Dann war sie die Letzte. Aber im Flugzeug aufs Clo gehen. Das war. Sie machte das nicht. Auf so einer kurzen Strecke. Das war schwierig genug auf den langen Flügen. Wenn der Boden der Toiletten überschwemmt war und kein Toilettenpapier mehr da. Selma entschied sich für das Buch. Sie legte die Zeitung zusammen. Sie hatte den Rucksack rechts von ihrem Sitz. Auf dem Boden. Sie stellte die Tasche auf den Rucksack. Steckte die Zeitung in die Tasche. Kramte die Brille heraus. Sie schaute vor sich hin. Sah sich um. Alle Plätze besetzt. Koffer und Taschen in den Gängen zwischen den Sitzreihen. Gruppen. Paare. Familien. Die Geschäftsleute der business class standen beim Ausgang. Dunkle Anzüge. Hellblaue und rote Krawatten. Sie warteten. In sich gekehrt. In ihr Schicksal ergeben. Nur der Mann, der neben ihr gesessen hatte. Der sprach mit der Frau vom AUA-Bodenpersonal. Die zuckte mit den Achseln. Lächelte den Mann an. Der wandte sich ab. Verärgert. Ging ans Fenster. Blieb da stehen. Die Frau ging wieder durch den Warteraum zum Schalter vorne am Gate. Eine junge Frau stürzte in den Raum. Lief in die AUA-Angestellte. Sie entschuldigte sich. Kurz. Zog ihren Koffer in den Raum. Fuhr mit den Rollen noch über die Füße der Angestellten. Ging weiter. Ging so weit an den Gateausgang wie möglich. Sie stand am Rand der Männergruppe da. Selma hatte ihr nachgesehen. Sie sah die AUA-Angestellte nicht mehr. An der Sicherheitskontrolle kamen immer noch Passagiere an. Sie kamen gelaufen. Verhetzt. Verschwitzt. Drängten sich um den Eingang zur Sicherheitskontrolle. Selma sah ihnen zu. Ein Mann musste zurück. Der Warnton des Metalldetektors. Der Mann wühlte in seinen Hosentaschen. Legte Dinge auf

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