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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Toilette. Es passierte nichts. In der Mitte der rechteckigen kleinen Scheibe etwas Rundes. Ein eckiges Auge. Die Lichtschranke hatte ihr zugesehen. Ihrem Rücken. Jedenfalls. Sie zog den Slip hinauf. Die Hose. Sie schloss den Zippverschluss. Hakte den Haken ein und knöpfte den Knopf zu. Sie zog das T-Shirt glatt. Die Jacke. Es konnte passieren, dass die Jacke in die Hose gesteckt blieb. Und man stundenlang so herumlief. Und alle wussten, dass man auf der Toilette gewesen war und sich dort nicht richtig angezogen hatte. Sie griff nach der Tasche. Die Spülung lief. Sie sah in die Schüssel. Alles war weg. Keine Spur von ihr. Nichts zu sehen, für die Nächste hier. Sie hob den Rucksack vom Haken. Ging hinaus. Gleich gegenüber. Am letzten Waschbecken stand die Frau aus dem Flugzeug. Der sie gesagt hatte, dass sie nach Nairobi musste. Dass sie zum Flieger nach Nairobi musste. Sie stellte sich neben die Frau. Sie balancierte die Tasche und den Rucksack hinten. Auf dem Rücken. Sie ging in die Knie, um die Tasche und den Rucksack nicht nach vorne fallen zu haben. Sie drückte gegen den Seifenautomaten. Hielt die Hände vor die Lichtzelle am Wasserhahn. Sie wusch sich die Hände. Sie sah kurz auf und schaute die Frau an. Die Frau sah in den Spiegel. Sie hatte sich weit vorgebeugt. Zum Spiegel. Sie studierte eine Stelle an der Stirn. Unter ihr sprudelte das Wasser aus dem Wasserhahn. Die Frau kümmerte sich nicht darum. Selma ging mit nassen Händen weg. Sie schwenkte die Hände in der Luft. Schleuderte die Wassertropfen von sich. Die Frau hatte nicht ein Zeichen des Erkennens gemacht. Sie hatte ihre Stirn angestarrt und hatte an ihr entlanggesehen. So über sie hingesehen, wie man das so machte. Mit Fremden. Selma sah die Frau vor sich, wie sie sich geräkelt hatte. Wie sie dem Mann gesagt hatte, dass nun alles wieder gut wäre. Und wie der Mann ihr nicht sagen hatte können, dass das für ihn nicht so war. Oder hatte der Mann das selber gar nicht gewusst. Hatten die Angst nur seine Finger gewusst. Die Muskeln, die die Finger ins Fleisch krallen hatten lassen. Sie ging. Sie ging an den Menschen um das Förderband vorbei. Sie sah nicht hin. Es war ihr ganz gleichgültig, ob der Tommi sie sah. Sie ging nach links. Nach hinten. Stellte den Rucksack ab. Holte das handy aus der Tasche. Stellte es an. Gab den PIN ein. Wartete auf die Verbindung. Sie scrollte zur Nummer von Jonathan Gilchrist. Ließ sie wählen. Kein Ton. Die Leitung leer. Wie war das. Auf dem display war »Anruf erfolglos: nicht verfügbar« aufgeschienen. Musste sie da eine andere Vorwahl. Was musste sie da wählen. Wie konnte sie diesen Mann nun erreichen. Ein Telefon. Ein öffentliches Telefon. In der Ecke gab es Kreditkartentelefone. Sie nahm den Rucksack. Ging in die Ecke. Sie stand vor dem Kreditkartentelefon. Sie musste nach der Brille suchen. Die Anweisungen auf dem Kreditkartentelefon klein gedruckt. Kaum Licht in der Ecke. Sie entzifferte die Anweisungen. Suchte nach der Kreditkarte. Hielt das handy in der Hand. Die Nummer auf dem display. Neben den Kreditkartentelefonen eine Kabine. Ein weiß gestrichenes Hüttchen, in dem Beamte saßen. 3 Männer saßen in diesem Häuschen. Sie saßen um einen Tisch. Redeten. Tranken Kaffee. Es waren ältere Männer in blauen Uniformen. Die blauen Uniformkappen auf dem Tisch. Waren das Polizisten. Auf der Hütte stand nichts angeschrieben. Selma ging an die Tür. Sie klopfte an das Fenster in der Tür. Ein Mann stand auf. Er sagte noch etwas zu den anderen, nahm seine Kappe und wandte sich ihr zu. Er setzte seine Kappe auf und kam aus dem kleinen Raum. Selma entschuldigte sich. Sie wolle nicht stören, aber könne er ihr sagen, was sie vorwählen musste, wenn sie mit einem handy in Großbritanien eine Nummer in Großbritannien erreichen wolle. Der Mann stand in der Tür. Sah sie an. Dann wandte er sich zurück. Er gab die Frage an seine Kollegen weiter. Die Männer waren sich nicht sicher, ob es eine Null oder eine Eins sein musste. Der Mann in der Tür drehte sich wieder zu ihr zurück. »Either zero or one. You dial either zero or one.« Und dass er kein handy habe, sagte er. Und dass er es deswegen nicht wüsste. Selma bedankte sich und ging zu den Kreditkartentelefonen zurück. Sie setzte sich auf die Bank daneben. Sie holte den Taschenkalender aus der Tasche. Das Schreibzeug. Sie schrieb die Nummer vom display ab. Dann gab sie die Nummer neu ein. Mit einer Null als Vorwahl. Sie bekam das Besetztzeichen. Dann

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