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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Dazu hatte es nie gereicht. Und nun ja sicher nicht mehr. Sie trat auf die Rolltreppe hinunter. Das war ja nun nicht wichtig. Das durfte nicht wichtig sein. Das war auch nicht wichtig gewesen. Aber es war eine dieser abgeschlossenen Möglichkeiten. Das würde es nun nie mehr geben. Es war nur wieder eins dieser Symbole. Eines ihrer Symbole des Unerreichbaren. Ihres Versagens. In der Kette dieser Symbole war es ein weiteres Kettenglied. Etwas, das sie hinunterzog. Beschwerte. Etwas, das sie durch das Nicht-Vorhandensein belastete. Etwas mehr, dessen Nicht-Vorhandensein die Last war. Das sie nicht erreicht hatte. Nicht einmal erreicht. Sie stand auf der Rolltreppe. Fuhr hinunter. Hinter dem Brustbein der Druck. Ein Nach-außen-Drängen. Den Brustkorb sprengen. Das Brustbein zerreißen und nach außen. Eine Explosion und dann die Brust wieder leer. Dann das Herz ruhig schlagen und nur im Atmen das Leben. Im ruhig Atmen und Schauen und Hören. Dieses ganze nach innen gerichtete Nichts weggeschleudert. Dann. Und ein Schrei nichts geholfen hätte. Aber dann die Vorstellung dieser Leere gleich wieder eine Unruhe. Was sollte sie dann tun. Wenn sie wieder normal. Und funktionierte. Die Vorstellung einer solchen leeren Leere ließ weiß glühenden, gallenbitteren Zorn aufsteigen. Während ihr ein saurer Saft in die Kehle stieg und das Blut aus dem Kopf und heiße Blässe. Während sie sich zwingen musste, ruhig von der Rolltreppe auf den Boden zu steigen und die Rampe nach unten zur U-Bahnstation weiterzugehen. Währenddessen verstand sie den Ausdruck »da geht mir die Galle hoch.« »So ist das also.« dachte sie. Jetzt wusste sie auch diese Bedeutung. Zur Vorstellung von diesem weiß glühenden, gallenbitteren Zorn fügte sich vor ihren Augen die Wirklichkeit. Sie ging. Sie fand das interessant. Während sich alle Symptome an ihr vollendeten. Während ihr im Kopf schwindelig. Während sie nach dem Handlauf der Rampe greifen musste. Sich stützen. Ganz kurz eine Drehung. Der Anfang einer Drehung. Sie ging. Hielt sich am Geländer fest. Schritt für Schritt. Die rechte Hand das Geländer entlang. Die Säure bitter in die Kehle schneidend. Sauer ätzend hinter dem Brustbein herauf. Währenddessen wusste sie, dass das nun das war. Die weiß glühende, gallenbittere Wut. Der Dämon des Vaters. Erbte man so etwas. War das von ihm ererbt. War das die Erbschaft von ihm. Mit den Sommersprossen und der sonnenempfindlichen Haut auch die weiß glühende, gallenbittere Wut. Oder war das erlernt. War das angelernt. Aus den Anfällen der weiß glühenden, gallenbitteren Wut. Wenn der Vater aus dem Ministerium so ruhig zurückgekommen. Wenn die Ruhe so eine Starre gewesen. Ein weiß glänzender Überzug über jeder Bewegung. Bis er einen Grund gefunden. Bis sich ihm ein Grund gegeben. Und dann. Sie ging weiter. Die Erkenntnis ließ die Knie einknicken. Aber das Gehen einfacher als stehen. Im Stehen der Schwindel die Oberhand bekommen hätte können. Sie ging und die Erkenntnis oben. Hinter ihr. Oben, hinter ihrem Kopf sagte sich die Erkenntnis. Das war der Grund, warum sie keine Kinder bekommen hatte. Das war die Ursache, dass sie sich keine Kinder gewünscht hatte. Dass sie sich so schnell auf das Nicht-Kinder-Haben geeinigt hatte. Einigen hatte können. Mit dem Anton. Dass es keine Kinder geben hatte sollen. Und dann war die Abtreibung in Italien. Die war dann nur der Anfang dieser raschen Einigung gewesen. Dieser Einigung mit sich selbst. Das war dann aus der weiß glühenden, gallenbitteren Wut des Vaters gekommen. Aus den Schlägen aus dieser weiß glühenden, gallenbitteren Wut. Im Kinderzimmer. Hinter den zugesperrten Türen. Die Mutter von der Balkontür zur Gangtür. Und der Vater auf sie ein. Die weiß glühende, gallenbittere Wut in präzisen Schlägen des Gürtels. Und es ja nicht diese Schläge gewesen. Wahrscheinlich. Es waren diese Erklärungen. Dann. 3 Tage später. Oder eine Woche. Wenn die blauen Flecken am deutlichsten. Voll entwickelt auf ihrem Hinterteil und nur mit dem Handspiegel im Vorzimmerspiegel. Oder auf den Sessel im Badezimmer gestiegen und mit dem Handspiegel den Popo im Badezimmerspiegel angesehen. Im Spiegel über dem Waschbecken. Nach 3 oder 4 Tagen die blauen Flecken da an die Oberfläche gesickert waren. Und dunkelviolett mit grünen Rändern und dann gelb. Der Vater es dann erklärt hatte. Es war die weiß glühende, gallenbittere Wut gewesen. Er war wieder übergangen worden. Im Ministerium. Aber er

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