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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Schaute nach hinten. Er sah Selma an. Er zog die Augenbrauen hoch und zuckte mit den Achseln. Selma musste zurückgrinsen. Der Mann blinzelte sie an und drehte sich wieder weg. Er bekam ein Ticket. Er zählte das Wechselgeld nach. Genau. Dann wandte er sich weg. Ging weg. Selma trat an den Schalter. Sie bräuchte eine Fahrkarte nach Russell Square. Der Mann schob ihr ein Ticket unter der gläsernen Trennwand durch. 5 Pfund 50 mache das aus. Selma schob einen 10-Pfundschein zurück. Sammelte das Wechselgeld ein. Schob alles nach links und machte Platz für den Nächsten. Sie hatte vollkommen vergessen, wie die Münzen aussahen. Sie wäre nicht in der Lage gewesen, die 5 Pfund in Münzen aus der Geldbörse herauszusuchen. Sie steckte das Geld in die Börse. Stopfte die Börse in das Seitenfach der Tasche. Zog den Zippverschluss zu. Sie ging durch die Sperre. Ließ das Ticket im Automaten verschwinden. Sie schob sich seitlich durch das Drehkreuz. Die Tasche und der Rucksack auf den Schultern zu breit. Das Drehkreuz schlug gegen ihre Oberschenkel. Wieder ein blauer Fleck, dachte sie. Dass man immer so geschunden ankommen musste. Aber sie würde ein Bad nehmen. Dann würden die blauen Flecke nicht so groß. Wenn man gleich ein heißes Bad nahm, dann konnte man die Hämatombildung einschränken. Schrecklich waren die blauen Flecke auf den Armen. Im Sommer. Jetzt. Wenn sie die Jacke nicht ausziehen konnte, weil sie sich irgendwo angeschlagen hatte und ein dunkelvioletter Fleck sich auf der weißen Haut ausbreitete. Bei ihr sah das immer besonders brutal aus. Wegen der hellen Haut. Sie fuhr mit der Rolltreppe hinunter. Ein trockener Wind von unten herauf. Der Wind eigentlich ein Schwall trockener, heißer Luft. Einen Augenblick keinen Atem und das Stechen im Hals hinten als wäre etwas stecken geblieben. Da. Sie hustete. Räusperte sich. Sie hielt sich die Hand vor den Mund. Sie hätte ein Tuch haben wollen. Ein Atemzug bis tief in die Brust. Sie sog die Luft ein und spürte die Luft in die Lungen fahren und hatte aber trotzdem keine Luft bekommen. Sie rang um Atem. Dann war der Wind weg. Sie fuhr in kühlere, schwerere Luft. Auf dem Bahnsteig dann alles normal. Ein Zug rechts. Die Anzeige gab an, der Zug würde in einer Minute abfahren. Der Zug war voll. Leute standen. Es kamen noch immer neue Passagiere. Riesige Koffer wurden nachgezogen und in den Zug gehievt. Eine Frau stellte ihren Koffer in die Tür und winkte jemandem weit hinten, sich zu beeilen. Ein Mann mit 3 Kindern. Alle hatten bunte kleine Rollkoffer. Sie kamen angehetzt. Lachend. Das kleinste Kind weinte. Ein kleiner Bub. 6 Jahre. 7 Jahre alt. Seine älteren Schwestern zogen ihn mit. Er rief nach seiner Mami. Die deutete ihnen, sich zu beeilen. Selma ging zum Zug nach links. Sie wollte sitzen. Im Zug rechts hätte sie stehen müssen. Und wenn man schon in Heathrow stand, dann stand man bis Cockfosters. Sie war zu träge. Sie wollte jetzt nicht eine Stunde stehen. Der Zug links sollte in 16 Minuten fahren. Sie stieg ein. Sie setzte sich gleich beim Eingang. Sie wusste gar nicht, in welche Richtung der Zug davonfahren würde. Sie drehte sich um. Der erste Zug setzte sich in Bewegung. Sie würde nach Norden schauen, wenn sie so sitzen blieb. Sie stellte die Tasche auf ihren Schoß. Schob den Rucksack davor. Sie konnte die Tasche und den Rucksack gerade festhalten. Sie saß da. Bis hierher hatte sie es jetzt geschafft. Sie konnte sich jetzt ausruhen. Eine Stunde hatte sie jetzt Ruhe von allem. Sie wurde transportiert. Menschen stiegen ein. Die Reihe gegenüber füllte sich. Eine junge Frau mit einem rosafarbenen Rucksack. Sie hatte ihren Discman eingeschaltet. Percussion war leise mitzuhören. Eine Gruppe Flughafenangestellter in blauen Uniformen. Sie sprachen miteinander. Unterhielten sich. Sie setzten sich in die Reihe neben sie. Auf der Anzeige waren es noch 8 Minuten bis zur Abfahrt. Kaum jemand war auf dem Bahnsteig. Auf dem anderen Gleis kam ein Zug an. Ein Menschenschwarm breitete sich aus. Die Schnellergehenden drängten sich durch die Menge und strebten auf den Rolltreppen voran. Dahinter die Kofferbeladenen. Die Gruppen. Und dann die Langsamen. Leute, die es leicht nahmen und dahinschlenderten. Sich Zeit ließen. Und die Beladenen. Eine alte Frau zog einen ungeheuer großen Koffer auf die Rolltreppe zu. Sie ging nach vorne gestemmt, den Koffer weiterzuziehen. Sie war die Letzte hinauf. Dann ein Schwarm von oben. 5 Minuten vor Abfahrt eilten immer mehr

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