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Entfernung.

Entfernung.

Titel: Entfernung. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
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Herbstsemester. Junge Menschen kamen aus dem Haus. Gingen hinein. Sie ging. Sie ging langsamer. Bei dieser Hitze. Sie würde den Hosenanzug durchschwitzen und dann nichts anzuziehen. Und ausgerechnet eine Schauspielschule. Sie hatte gar nicht gewusst, dass die Slade School hier war. War das ein Zeichen. Ein gutes Zeichen. Sollte das bedeuten, dass das Theater ihr. War es eine günstige Fügung. Eine glückliche Fügung, dass sie hier ausgestiegen war. Und warum hatte sie nicht einen Koffer genommen. Und genügend Kleider. Aber sie spielte ja selber eine Rolle. Sie spielte die Rolle der Person, die ganz rasch für einen dringenden Termin mit jemandem nach London fliegt. Und die dann zufällig den Abend frei hat, sich mit Gilchrist zu treffen. Die den Abend in London verbringen muss, weil kein Flug zurück zu bekommen gewesen war. Weil einfach alles ausgebucht war und die Zeit in London dann wenigstens genutzt wurde. Wenn sie mit Gilchrist essen ging. Und weil dieses Sarah-Kane-Projekt jetzt endlich einmal unter Dach und Fach gebracht werden sollte. Und diese Person. Die flog am nächsten Tag wieder ab. Die musste nicht wegen des billigen Flugs einen Tag länger in London bleiben. Diese Person hatte ein Budget. Ein Reisebudget. Die muss sparen. Aber die muss nicht so sparen wie eine, die wirklich kein Geld hat. Und in ihrem Eifer hatte sie die Garderobe dieser schicken Person eingepackt. Unterwäsche. Pyjama. Tag- und Nachtcreme. Die schicke Person, die nun eine erfolgreiche Karriere als Projektbetreuerin gestartet hatte. Diese Person schminkte sich nicht. Die schaute von der Natur begünstigt von alleine strahlend aus. Die verwendete vielleicht Puder und Lippenstift. Selma ging. So harmonisierten sich alle Rollen am besten. Sie hatte kein Geld mehr für die Sisley-Produkte. Da kostete eine Tube Tagescreme schon 53 Euro. Und das make up an die 100. Und zu bekommen war es nur in Berlin und manchmal auf Flughäfen. Oder Fresh. Da kosteten alle Produkte über 100 Euro. Da war es schon besser, die projektierte Figur der erfolgreichen Projekteurin projizierte das frische Image der schon Beschenkten. Der schon von der Natur ausgezeichneten Person. Und sie sah ja nicht schlecht aus. So. Sie hatte abgenommen. Sie hatte dieses straffe Gesicht der wirklich Verzweifelten. Die Haare konnte sie selber. Die grauen Haare ließen sich leicht selber überfärben. Mit dunklen Farben konnte man sehr gut selber färben. Mit blond war es schwierig. Zu Hause. Mit ihren da war Clairol absolut ausreichend. Und Parfüm hatte sie. Die Parfüms. Die waren in die Koffer gepackt gewesen. Die hatte die Ungarin übergeben. Teure Parfüms. Die waren in ihrem Wertsystem erkennbar. Wahrscheinlich. Von denen wusste sie, was die gekostet hatten. Ein Kinderbuch von der Großmutter. Das war wahrscheinlich Plunder. Das wurde ausgemistet. So wurde Geschichtslosigkeit produziert. So machte man das, wenn man Geschichte los werden wollte. Das war ein Grundgebot. Das war ein Frauenzeitschriftsgrundgebot. Das Territorium einnehmen. Keine Erinnerungen an die Vorgängerinnen. Das wurde in Fernsehserien eingehämmert. In der ganzen Welt wurde das mit Hilfe von »Reich und schön« als Grundregel eingehämmert. Und sie fühlte sich ja auch so. Sie hatte ja dieses Gefühl, dass sie zugesehen hatte, wie Taylor in 3 Folgen quälend starb und wie sie begraben wurde. Und dann schaute sie 2 Monate später die Serie im Fernseher an. In der Frühmorgensversion. Um 3 Uhr am Morgen. Weil sie nicht schlafen konnte. Und da war Taylor wieder da. Das Puppengesicht noch porzellaniger. Das Gesicht ein Oval, das über dem Körper schwebt. Das nicht zum Körper gehört. Und so war es ja auch. Für Anton war das genauso. Nur in ihrem Fall handelte es sich nicht um die Pause wegen einer Gagenverhandlung oder einer Schönheitsoperation. In ihrem Fall handelte es sich um diese erschreckenden Rollentausche in Fernsehserien. Wenn die bekannte Figur plötzlich von jemandem anderen gespielt wird. Wie sie das mit Thorne gemacht hatten. Und wie diese Figur nie mehr vollständig werden hatte können. Aber weil die Regie bei Anton lag. Deshalb war sie die falsche Besetzung. War sie zur falschen Besetzung gemacht worden. In dieser Farce. Ihre Geschichte. Die war ja ernsthaft gar nicht zu erzählen. Ihre Geschichte. Da musste man so einen ironisch überlegenen Ton anschlagen. Diesen Ton, der in der Überlegenheit die Resignation erzählte. Der in der Überlegenheit die Zuhörer entlastete und einen

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