Entfesselt: House of Night 11 (German Edition)
Frau.«
Doch es war Neferet nicht vergönnt, den Geist der Alten zu plündern wie erhofft. Mit einem ohrenbetäubenden Kriegsschrei hatte die Alte das Beil gepackt und es sich selbst durch die Kehle gezogen.
»Nein!«, hatte Neferet geschrien und der Frau die Hand an den Hals gedrückt, um deren Tod um wenige Augenblicke hinauszuzögern und in den verblassenden Bildern und unfertigen Gedanken nach Antworten zu suchen.
In ihrem Fuchsbau zuckte und zitterte Neferet als Reaktion auf die Erinnerung. Die alte Frau hatte sich umsonst geopfert. In ihrem sterbenden Geist hatte Neferet genug Informationen gefunden, um mit zwei Aufgaben beginnen zu können: erstens Kalona zu erlösen und zweitens sich aus einer gelangweilten Hohepriesterin in eine unsterbliche Göttin zu verwandeln – die Königin der Tsi Sgili.
Zoey
Die sechste Stunde liebte ich. Nicht nur war Lenobia die beste Lehrerin der Welt, nein, es war ein Fach, in dem ich auf einem Pferd reiten durfte! Ich weiß nicht, was noch besser sein konnte. Heute schien Lenobia zu spüren, dass wir alle ziemlich viel Stress loswerden mussten. Als wir bei Unterrichtsbeginn den Reitplatz betraten, waren dort schon drei große schwarze Stahlfässer in einem Dreieck aufgestellt.
Lenobia galoppierte uns zur Begrüßung auf Mujaji entgegen und brachte die schwarze Stute dicht vor uns zum Halten.
»Und, Jungvampyre, weiß jemand von euch, warum diese Fässer dort stehen?«
Meine Hand schoss in die Luft.
»Zoey?«
»Das ist der Aufbau fürs Barrel Racing.«
»Genau. Hast du das schon mal gemacht, Zoey?«
Ich lächelte ein bisschen nervös. »Na ja, mehr oder weniger. Das Pferd meiner Grandma war früher bei Barrel Racing geritten worden, und Grandma hat manchmal den Parcours für es aufgebaut. Selbst als es schon uralt war, wurde es putzmunter und stürmte um die Fässer herum wie ein Jungspund. Ich hab mich im Prinzip nur auf seinem Rücken festgehalten und es die ganze Arbeit machen lassen. Aber Spaß hat’s gemacht.«
Lenobia lächelte. »Eine wunderschöne Geschichte und eine Erinnerung, die du immer in Ehren halten solltest.«
»Ja. Werde ich.«
»Gut. Hat sonst noch jemand Erfahrung im Barrel Racing?«
Die anderen fünf schüttelten verlegen die Köpfe.
Lenobia runzelte die Stirn und brummte vor sich hin: »Es ist immer so enttäuschend, dass man mitten in Oklahoma ist und fast keiner von den jungen Leuten sich mit Pferden auskennt.« Dann sagte sie laut: »Egal. Ich gebe euch jetzt ein unübersehbares, simples, überdimensionales Beispiel.« Sie schnalzte Mujaji zu und lenkte sie beiseite, so dass Travis auf seiner riesigen Percheronstute Bonnie in die Arena traben konnte.
Vor Lenobia zügelte er das Tier und lupfte den Hut. »Hab ich gerade recht gehört, und Sie haben meine Stute überdimensional und simpel genannt, Ma’am?«
Lenobia streichelte Bonnies Maul und küsste es zärtlich. Dann gab sie zurück: »Ich würde dieses herrliche Tier doch niemals überdimensional und simpel nennen. Ich meinte Sie, Sir.« Mit funkelnden Augen sah sie den großen, gutaussehenden Cowboy an.
»Na, danke auch für das Kompliment, Ma’am. Schön, wie Sie mich schätzen.«
Lenobia lachte wie ein junges Mädchen, und ich fand, dass sie noch nie so schön gewesen war. »Reit nur einmal um die Fässer rum, damit die Schüler sehen, wie’s gemacht wird.« Sie gab Travis einen spielerischen Klaps auf den Stiefel.
Jep, sie war verliebt. Unübersehbar und überdimensional.
»Na dann, Mädel, zeigen wir diesen Greenhorns, dass man zum Barrel Racing kein Quarterhorse braucht!« Er lenkte Bonnie in die Startposition, dann gab er ihr die Sporen und mit seinem Hut einen Klaps auf den Hintern. Die Percheronstute schien einen Moment lang fast abheben zu wollen.
Übertrieben genau erklärte Lenobia, was die beiden taten, während Bonnie und Travis dann doch nicht sonderlich schnell eine kleeblattförmige Route um die Fässer herum beschrieben. Trotzdem, als die riesige Stute wieder durch die Mitte auf uns zugedonnert kam, während Travis hutschwenkend ein Triumphgeheul ausstieß, jubelten und klatschten wir alle.
Und das war nur der Anfang des Spaßes. Fast eine Stunde lang jagten wir unsere ›eigenen‹ Pferde abwechselnd um die Fässer herum. ›Meine‹ Stute hieß Persephone, und ich liebte jeden Zoll ihres herrlichen Rotschimmelfells. Und wie sie rennen konnte! Persephone schien das Kleeblatt in- und auswendig zu kennen. Wie Stevie Rae gesagt hätte, ich musste mich nur
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