Entfesselt: House of Night 11 (German Edition)
der Brüllschwelle annäherte, kam Unruhe in die Leute uns gegenüber, und sie ließen eine Gasse zwischen sich entstehen.
Zuerst erschien Thanatos. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt ein langes schwarzes Samtkleid, das lediglich mit der silbernen Nyxsymbol-Stickerei mit den erhobenen Händen und der Mondsichel verziert war. Ihr Haar war offen und fiel ihr lang und dunkel bis auf die Hüften, wie ein dichter Schleier. Stellenweise glitzerte es silbern, was mich an das Silbergarn des Nyxsymbols erinnerte. Ihre Miene war grimmig. Ich fand sie furchterregend, aber wunderschön – uralt und zeitlos.
Dann sah ich hinter ihr Kalona und Stark. Zwischen sich führten sie den hinkenden Dallas. Er sah ganz schön mitgenommen aus. Seine Hände waren vor dem Körper zusammengebunden. Sein Gesicht war zerkratzt und blutig, seine Kleider nass und dreckig. In seinem rechten Schenkel steckte einer von Starks Pfeilen, so tief, dass nur noch die Federn herausragten. Kalona und Stark wirkten genauso ernst und machtvoll wie Thanatos, als sie Dallas ins Zuschauerrund zerrten. Sie schoben ihn genau in die Mitte der geschwärzten Fläche.
Dallas wirkte nicht grimmig oder machtvoll. Er wirkte nur wütend. Ich bemerkte, wie er Shaunee anblickte. Hasserfüllt sah er sie an, dann zog er sehr viel Rotz hoch und spuckte ihn in die Asche vor seinen Füßen.
»Die Lehrer aus dem Schulrat des House of Night von Tulsa mögen vortreten!«, rief Thanatos.
Lenobia, Penthesilea, Garmy und Erik lösten sich aus der Menge und stellten sich an Thanatos’ Seite. Ich dachte gerade, dass der Schulrat ohne Dragon, Anastasia und Professor Nolan ganz schön kümmerlich wirkte, da fuhr Thanatos fort: »Ich bitte auch unsere beiden Prophetinnen vorzutreten!«
»Oh Scheiße«, brummte Aphrodite, aber sie ließ Darius’ Hand los und ging zu Thanatos. Shaylin zögerte etwas, aber als sie Thanatos erreichte, nickte diese und wies ihr den Platz neben Aphrodite zu.
»Unsere Schule hat das Glück, mit zwei zusätzlichen Hohepriesterinnen gesegnet zu sein. Leider ist Stevie Rae, die erste Hohepriesterin der roten Vampyre, nicht in der Lage, heute hier zu sein, da sie schwer verwundet wurde.« Ich hatte gerade erst begriffen, dass Thanatos zwei gesagt hatte, da fiel ihr dunkler Blick auf mich. »Aber ich bitte unsere zweite Hohepriesterin zu mir. Zoey Redbird möge vortreten!«
Nervös trat ich neben Aphrodite und Shaylin.
Dann stellte sich Thanatos vor Dallas und sah ihn an. »Bist du der rote Vampyr namens Dallas?«
Dallas grinste verächtlich. »Erkennt mich hier jemand etwa nicht?«
»Dallas, kurz nach Sonnenaufgang des vergangenen Tages hast du die rote Hohepriesterin Stevie Rae in ihrem Zimmer überfallen mit der Absicht, sie dem Sonnenlicht auszusetzen, bis sie stirbt. Streitest du das ab?«
»Nö. Das war so.«
»Dallas, außerdem plantest du, im Anschluss daran mit der Macht, die dir von unserer Göttin Nyx geschenkt wurde, die Jungvampyrin Shaunee zu töten. Streitest du das ab?«
»Ich streite gar nichts ab!«, blaffte er, und seine Augen glommen rostrot. »Na los, verstoßen Sie mich! Ich kann auf dieses Drecksloch von Schule verzichten!«
Thanatos drehte sich zu den Zuschauern um. »Ich weiß, dass dieser Vampyr Anhänger hat, die seine Ansichten teilen. Ich vermute, dass sie von seinen geplanten Verbrechen wussten und ihm vielleicht sogar Beihilfe geleistet haben. Auch sie müssen von Rechts wegen bestraft werden. Ich bitte nun Dallas’ Anhänger vorzutreten – sofern sie zu ihren Überzeugungen stehen.«
Ich war extrem gespannt, was passieren würde. Es gab vielleicht zehn Kids, die ständig um Dallas herum waren. Also, jetzt, nachdem Nicole der Dunklen Seite den Rücken gekehrt hatte, noch neun. Ein bisschen erwartete ich, dass die ganze Gang lässig und breitbeinig in den Kreis schlendern und dabei mit Papierkügelchen um sich werfen würde.
Aber nur zwei traten tatsächlich vor. Erstens ein massiger Junge namens Kurtis. Ich hatte ihn noch von dem Kampf in den Tunneln in Erinnerung. Er war ein totaler Arsch. Der zweite war Elliott, der Junge, den ich vor so vielen Monaten in der Englischstunde hatte sterben sehen. Er war so eine ätzende Schnarchbacke (also einer, der im Unterricht nur pennt), und ich wunderte mich, dass er sich überhaupt dazu aufraffte, Dallas’ Partei zu ergreifen, vor allem weil es so aussah, als würde man ihn auch von der Schule werfen.
Halt, natürlich hatte das Sinn: Der Kerl ging nicht gern zur
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