Entfesselt: House of Night 11 (German Edition)
ich, ohne Stark anzusehen. »Damien, Shaunee, würdet ihr mit Aurox die Kerzen und Streichhölzer holen?«
Gemessen verneigte sich Aurox vor mir, dann eilte er mit den beiden zum Nyxtempel.
»Muss das mit dem Kreis wirklich jetzt sein? Sollte vorher nicht ein bisschen aufgeräumt werden?«, fragte Aphrodite und deutete mit abgewandtem Blick auf Dallas’ Leiche.
»Genau das werden Zoey und ihr Kreis tun. Ein verurteilter und hingerichteter Vampyr hat keinen Anspruch auf eine Verbrennung mit traditioneller Trauerzeremonie. Man darf ihn auch nicht irgendwo verscharren, damit kein Risiko besteht, dass fehlgeleitete Anhänger daraus einen Wallfahrtsort machen. Seine Überreste müssen so schnell wie möglich in aller Stille auf unspektakuläre Art verbrannt werden.«
»Oh.« Endlich fiel bei mir der Groschen. »Sie wollen, dass wir mit dem Kreis Shaunee stärken, damit sie, äh …« Ich wusste nicht so recht, wie ich es formulieren sollte, und fühlte mich latent hysterisch bei dem Gedanken daran, was wir gleich würden machen müssen.
»Aufräumen kann«, half mir Aphrodite.
»Ja, gut ausgedrückt.« Thanatos klang, als ginge es wirklich darum, den Müll rauszubringen. »Und je weniger Personen sich derweil hier aufhalten, desto besser. Deshalb danke ich unseren beiden Prophetinnen für ihr würdiges und weises Urteil, aber ich muss darauf bestehen, dass Aphrodite jetzt in den Unterricht zurückkehrt und Shaylin sich ihr anschließt, sobald sie ihre Pflicht im Kreis erfüllt hat.«
Aphrodite zog ein finsteres Gesicht. Unterricht war ja nicht gerade ihr Lieblingshobby. Ich sah sie genauso finster an – nicht dass sie es bemerkte. Ich hätte liebend gern mit ihr getauscht.
Darius nahm ihre Hand und zog sie in Richtung des Hauptgebäudes. »Komm, meine Schöne, ich begleite dich.«
»Ich hol meine blaue Kerze und sag den anderen, sie sollen sich beeilen«, sagte Shaylin. Aber nach ein paar Schritten blieb sie stehen und drehte sich zu Thanatos um. »Ich habe Ihre Farben gelesen. Sie haben getan, was getan werden musste. Manchmal sind die alten Methoden die besten.«
»Das sehe ich auch so«, sagte Thanatos.
»Grausig war es allerdings trotzdem«, fuhr Shaylin fort.
»Grausig, aber notwendig.«
»Sie wissen, dass nicht die ganze Schule auf Ihrer Seite ist.«
»Dessen bin ich mir bewusst.«
»Ich glaube, Sie würden sich wundern, wer alles den Schwur nur mit Vorbehalt geleistet hat.«
»Aber ich nehme an, du könntest mir das aufgrund ihrer Farben sagen. Nicht wahr?«
Da krampfte sich mein Magen zusammen. »Halt, bitte«, sagte ich. »Ich bin absolut der Meinung, dass wir eine einige Front gegen die Finsternis bilden müssen, aber ich bin nicht dafür, dass Shaylin als Werkzeug eingesetzt wird, um andere Leute zu lesen.«
Thanatos’ Blick bohrte sich in mich. »Was willst du damit sagen?«
»Dass Sie Shaylin nicht als Spionin missbrauchen sollten!« Ich wusste nicht genau, warum mich der Gedanke so aufregte, aber so war es.
»Wenn sie es in Nyx’ Diensten tut –«, fing Thanatos an.
Ich schnitt ihr das Wort ab. »Nyx hat uns allen die Freiheit der Wahl geschenkt. Das heißt, es ist nicht gegen die Gesetze der Göttin, wenn jemand Entscheidungen anzweifelt, die er getroffen hat. Damit begeht er kein Verbrechen. Nur totale Deppen zweifeln nie an dem, was man ihnen sagt.«
Ohne den Blick von mir zu wenden, fragte Thanatos Shaylin: »Shaylin, hast du aus Dallas’ Farben ersehen können, dass er gefährlich war?«
»Dass er wütend und gewaltbereit war, ja. Aber dass er versuchen würde, Stevie Rae und Shaunee umzubringen, konnte ich nicht sehen.«
»Aber wenn Dallas aufgrund dessen, was du in seiner Aura sahst, vor jenem Morgen aufgehalten worden wäre, wäre Stevie Rae viel Leid erspart worden.«
»Aufgehalten? Wollen Sie etwa sagen, wenn er getötet worden wäre, bevor er etwas getan hätte?« Ich dachte: Gleich platze ich.
»Ich glaub nicht, dass Thanatos das so meinte«, sagte Stark.
»Das würde ich gern aus ihrem eigenen Mund hören.«
»In alten Zeiten wurden nur Vampyre, die tatsächlich anderen Vampyren Gewalt antaten, hingerichtet«, sagte sie.
»Aber wir sind nicht mehr in alten Zeiten«, sagte ich. »Und ich glaub nicht, dass es irgendwen etwas angeht, was jemand denkt. Wissen Sie, wer von sich glaubte, es ginge sie immer an, was andere Leute dachten? Neferet. Und das hat ihr überhaupt nicht gutgetan.«
Thanatos’ Brauen hoben sich. »Ich verstehe, Priesterin.«
Ich sah
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