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Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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ließ es dabei aber so aussehen, als bekäme ich meinen Willen.
      »Zufälligerweise habe ich gerade heute von meinem Freund Lee aus Los Angeles gehört. Du kennst doch Lee - du hast ihn in Boston getroffen. Oder vielleicht in Mailand.«
      »Der Name sagt mir nichts..
      »Er hieß damals ... Amerigo. Es muss also Mailand gewesen sein.«
      »Ach der.«
      »Er ist in Los Angeles und stell dir das vor - er ist Darsteller in einer Seifenoper,«
      »Ist das eine Fernsehsendung?«
      Incy verzog angesichts von so viel Ignoranz schmerzlich das Gesicht. »Ja. Sie läuft jeden Tag. Aber worauf ich hinauswill - er hat jeden Tag mit all diesen Film- und Fernsehstars in Los Angeles zu tun. Wir sollten dorthin gehen.«
      Ich fischte mit zwei Fingern nach der Maraschinokirsche in meinem Drink und aß sie.
      Incy sprang auf, wieder total glücklich. »Da scheint immer die Sonne, weißt du noch? Es ist sonnig und warm, wie du es magst. Wir werden uns unter die Stars mischen und ihre Partys stürmen - das wird super. Ich bestelle gleich einen Wagen, der uns zum Flughafen bringt.«
       Irgendwo auf dem Weg zum Flughafen wurde ich zu Nastasja. Die schäbigen Armenviertel, durch die wir fuhren, schienen widerzuspiegeln, wie es in mir aussah. Incy war ausgelassen und froh, etwas Neues zu tun, aufgeregt, sich unter Stars zu bewegen, und überzeugt, dass er nun behaupten konnte, das alles nur getan zu haben, damit ich glücklich war. Ich hatte es so satt, mit ihm zu streiten - im ganzen letzten Jahr auf Tahiti hatten wir uns dauernd gestritten und wieder versöhnt, gestritten und wieder versöhnt. Jetzt konnte ich nicht mehr.
      Und es brauchte so wenig, um ihn glücklich zu machen, wie er mir hundert Mal versichert hatte. Was kostete es mich, für eine Weile, den Winter über, nach Los Angeles zu gehen?
      Nichts. Aber ihn freute es, was mein Leben viel einfacher machte. Mein Leben war so unglaublich viel besser, wenn Incy glücklich war, dass es fast so gut war, als wäre ich selbst glücklich.
      Oberflächlich betrachtet ließ ich mich von ihm aufmuntern, hörte auf dem sechsstündigen Flug seinem Geplapper zu und streckte mich pflichtbewusst in der Sonne, als wir endlich landeten.
      Es roch nach Smog und Flugzeugtreibstoff. So weit ich sehen konnte, war das Land mit Gebäuden, Straßen und Ampeln bedeckt, die sich weit in die Wüste erstreckten, wie gierige Käfer die Berge hochkrochen und das Land mit ihrem Betonmaul verschlangen. Ich mochte Städte, hatte Städte schon immer lieber gehabt, abgesehen von meiner Zeit auf Moorea. Aber diese Stadt war mir zu ausgedehnt, zu wenig überschaubar. Unser Hotel hatte einen Pool, der im Vergleich zum Südpazifik natürlich ein Witz war. An meiner Haut haftete der Geruch von Kokosöl und Zigarettenrauch. Ich verdöste die meisten Tage im Liegestuhl und wachte nur auf, um schaumige Drinks mit Obst zu bestellen, das auf Plastikstäbchen gespießt war. Die Ananas schmeckte nach gar nichts.
      Eines Abends gingen wir auf eine Party, auf die uns der Freund eines Freundes eingeladen hatte. Wir waren vorher shoppen gewesen und ich trug einen weißen Rock mit einem Trägertop. Ich hatte mir einen hellen Seidenschal um den Hals gelegt und den Träger des Tops darüber festgebunden. Meine Haut war gebräunt, meine Haare waren lang und ich hatte sie dunkelblond gefärbt - meine Naturfarbe schimmerte in Strähnchen durch. Als ich mich im Spiegel betrachtete, sah ich eine wunderschöne Frau mit Augen, so schwarz und kalt wie das Weltall. Incy war so glücklich wie seit Jahren nicht mehr.
      So toll ich auch aussah, auf dieser Party war ich nur eine unter vielen. Dort hatten sich mehr wunderschöne Frauen versammelt, als ich je zuvor auf einem Haufen gesehen hatte - und sie waren alle größer als ich. Es waren auch ein paar Unsterbliche da: Incys Freund Lee und ein paar der Models. Innocencio war in seinem Element. Er zog die Menschen magisch an und sein Charisma stach ebenso hervor wie sein gutes Aussehen. Er verschwand mit irgendwem oder ein paar Irgendwems und ich wimmelte eine weitere Stunde aufgeblasene Egos ab, bis ich schließlich das Gefühl hatte, dass sogar der Tod besser gewesen wäre.
      Am nächsten Tag schnitt ich mir im Badezimmer des Hotels mit der Schere aus dem Nähzeug meine langen blonden Haare ab. Jedes Mal wenn ich meine Haare im Spiegel sah, musste ich an Moorea denken, wo ich zumindest so etwas Ähnliches wie meinen Frieden gefunden hatte. Was machte es

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