Entfesselt
sonst noch gab. Klar, wir waren in einem Truck und es würde bald kalt werden, aber das war zweitrangig. Mir wurde schwindelig und erst da merkte ich, dass ich ganz vergessen hatte zu atmen.
»Oh«, sagte ich tonlos und konnte kaum erwarten, was jetzt kam.
Sehr langsam und gezielt legte mir Reyn den Arm um die Schultern. Er hauchte mir einen Kuss auf die Lippen, beinahe beiläufig, und gerade als ich mich auf ihn stürzen wollte wie ein Piranha, griff er hinter den Sitz und zog etwas heraus ... ein langes Schwert. Hinter dem Sitz hatte er - ich schwöre es - ein verdammtes Schwert versteckt.
Ich brachte kein Wort heraus und sah mit offenem Mund zu, wie Reyn mit dem Daumen die Schärfe der Klinge prüfte. Er hatte im Restaurant keinen Witz gemacht. Er hatte wirklich ein echtes Schwert im Wagen. Er sah mich gelassen an und seine Finger schlossen sich um den Griff des Schwerts.
Ich konnte es nicht fassen. Nachdem es zwischen uns gefunkt hatte und ich ihm so gern vertrauen wollte, hatte er mich ins dunkle Nirgendwo gebracht und ein verfluchtes Schwert hervorgeholt. Ich schlug mit der flachen Hand aufs Armaturenbrett. »Also schön, verdammt noch mal! Töte mich. Es ist mir egal! Ich hab es eh satt, diesen ganzen Mist zu lernen!«
Reyn sah mich gelassen an. Jetzt balancierte er die flache Klinge auf einem Finger.
»Mach schon«, forderte ich ihn heraus. »Tu es! Bring es hinter dich. Bring mich endlich um!«
Reyn seufzte und verdrehte die Augen. »Bevor ich dich verführt habe? Wohl kaum.« Er stieß die Tür auf und stieg aus, während ich noch um meine Fassung rang. »Aber ich möchte wetten, dass du eine lausige Schwertkämpferin bist. Ich wette, du hättest Incy nicht den Kopf abschlagen können, selbst wenn du es versucht hättest. Los, steig aus.«
Ich hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen. »Du Teufelsbraten, du«, brachte ich schließlich heraus, aber mein Kampfgeist war wie weggeblasen. Meine Fähigkeiten als Schwertkämpferin? Ich erinnerte mich mit grauenvoller Klarheit daran, wie Incy mit einem einzigen Hieb Katys Kopf abgeschlagen hatte. Vielleicht war es also doch keine so dumme Idee zu lernen, wie man mit einem Schwert umgeht. Ich stieg aus dem Truck.
Eine Stunde später lief mir vor Kälte die Nase, meine Arme fühlten sich an wie weich gekochte Spaghetti und ich war vollkommen außer Atem. Ich war noch nie gut mit dem Schwert gewesen, obwohl ich schon ein paarmal eines in der Hand gehabt hatte. Auch wenn das ein paar Jahrhunderte her war. Dieses Schwert war für mich zu lang und zu schwer, für Reyn allerdings zu klein. Er hatte zweifellos gewaltige Schwerter benutzt, die man mit beiden Händen schwang - damals, in jenen Tagen. Den schlimmen Tagen.
»Okay, du brauchst offensichtlich noch mehr Übung«, sagte er und lehnte sich gegen den Truck.
»Immerhin ist es vierhundert Jahre her. Oder so.«
Sein plötzliches Grinsen entwaffnete mich - buchstäblich - und ich ließ die Schwertspitze auf den Boden sinken.
»Du hast etwas Blutrünstiges an dir, das sollte es dir leichter machen«, verkündete er.
»Oh, gut.«
Er öffnete die Beifahrertür und bedeutete mir einzusteigen.
Vorher nahm er mir das Schwert ab und verstaute es wieder hinter dem Sitz. Ich hoffte wirklich, dass er damit in eine Polizeikontrolle geriet. Ich rutschte total erschöpft auf den Sitz, aber Reyn drehte mich von der Tür aus zu sich.
»Was jetzt?«, fragte ich. »Liegestütze?«
»Das hier«, sagte er und lehnte sich gegen meine Knie. Er legte mir eine Hand in den Nacken und küsste mich langsam und zärtlich.
Oh, ja, ja, das wird aber auch Zeit, dachte ich und schlang die Arme um ihn. Er lehnte sich stärker gegen mich, drückte meine Knie auseinander und hielt mit einer Hand sanft mein Gesicht. Ich hörte ein ersticktes Stöhnen und hoffte nur, dass es nicht von mir kam. Sicher war ich jedoch nicht. Auf jeden Fall war ich es, die auf der Sitzbank zurückrutschte und ihn in den Truck zog. Er stieg ein und schaffte es, hinter sich die Tür zu schließen, und dann lagen wir halb aufeinander. Ich sehnte mich schon seit Tagen danach, ihn leidenschaftlich zu küssen. Er strich mir die Haare aus dem Gesicht, und zwar langsam und nachdenklich, während ich dagegen ankämpfte, ihm die Kleider vom Leib zu reißen. Aus irgendeinem Grund schien er sich zurückzuhalten. Was mir gar nicht gefiel. Also robbte ich noch dichter an ihn heran und hob den Kopf, um
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