Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entfesselt

Entfesselt

Titel: Entfesselt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
Vom Netzwerk:
Hühnerstall zu holen. Vor allem, weil ich entscheiden konnte, was auf den Tisch kam.
      Und deshalb war an diesem Morgen weit und breit kein Körnerfutter zu sehen. Ich stand am Herd und machte Pfannkuchen.
      Und zwar keine aus Buchweizen oder Vollkornmehl.
      Ganz normale Pfannkuchen.
      Anne schnitt Orangen auf. Solis, das dritte Mitglied unseres Küchenteams, war für Eier und Speck zuständig. Ich hatte noch nicht vergessen, wie zustimmend er bei Ottavios kleiner Ansprache über meine Schlechtigkeit genickt hatte, und war deshalb an diesem Morgen etwas kühl zu ihm. Also gut, genau genommen weigerte ich mich, seine Anwesenheit zur Kenntnis zu nehmen. Es gab hier schon so viele reife, stets zur Vergebung bereite Personen - da konnte ich gut für etwas Ausgewogenheit sorgen.
      Anne kippte die geschnittenen Orangen in eine Schüssel und warf einen Blick auf die Uhr. Sie setzte sich auf einen der Küchenstühle und holte etwas Unidentifizierbares hervor, das sie gerade strickte.
      »Wird das eine Mütze?«, fragte ich und nahm die nächste Ladung Pfannkuchen in Angriff.
      Sie grinste mich an. »Ein Pullover.« Sie hielt ihn hoch - er war dreieckig und aus einer Mischung aus weißer und brauner Mohairwolle.
      »Für ... einen Muppet?«, fragte ich.
      »Für das nackte Huhn«, antwortete sie grinsend.
      Ich wendete die Pfannkuchen und sah sie finster an, was sie endgültig zum Kichern brachte. Ja, mein lustiger kleiner Entfederungstrick hatte sich bereits herumgesprochen. Offenbar konnten wir das arme Vieh nicht einfach aufessen und die Peinlichkeit auf diese Weise aus der Welt schaffen. Nein, stattdessen wurde ein raffinierter kleiner Pullover für das Huhn gestrickt, damit es wieder auf dem Hof herumlaufen und sich wichtig vorkommen konnte.
      »Nastasja?« Solis stand direkt neben mir am Herd, was es schwieriger machte, ihn zu ignorieren, aber ich schaffte es trotzdem.
      »Nastasja, du weißt, dass du mir wichtig bist«, fuhr er fort.
      Ich lud die Pfannkuchen auf eine Servierplatte und deckte sie mit einem sauberen Geschirrtuch ab. Während Solis wartete, verteilte ich neuen Teig auf der Bratfläche des Herds und sah ihn dann ausdruckslos an.
      »Hast du was gesagt?«
      »Nastasja.« Er bedachte mich mit einem geduldigen Blick - ein Ausdruck, den alle Leute beherrschen, die mit mir zu tun haben. »Ich mache mir etwas aus dir und ich finde deine Kräfte und die Möglichkeiten, die dir offenstehen, sehr spannend.
      Aber du bist nicht nur irgendeine Unsterbliche mit einer schweren Vergangenheit.«
      Anne beobachtete uns mit ernster Miene.
      »Du bist die einzige Erbin von einem der acht Häuser. Das macht dich zur Zielscheibe bis - bis in alle Ewigkeit.«
      »Wie gehen andere Leute damit um?«, fragte ich und stapelte meinen Pfannkuchenturm noch höher. Ich beschloss, meine künstlerische Ader auszuleben, und formte meine nächsten Pfannkuchen als Halbmonde und amöbenhafte Kleckse, die Sterne darstellen sollten.
      »Sie verfügen über große Kräfte. Sie schaffen sich ein sicheres Netzwerk. Und sie wissen, wie sie ihre Magie einsetzen müssen, um sich wirkungsvoll zu schützen.«
      Ich goss neuen Teig aus, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Ich formte einen Hasenkopf und eine Tulpenblüte und noch ein paar andere Dinge, aber ich merkte, dass ich immer wütender wurde.
      »Ich kann nichts dafür, wer ich bin«, sagte ich. »Was soll ich tun - mich irgendwo verstecken?« Ich tippte mir mit einem Finger ans Kinn. »Wenn es doch nur irgendeinen Ort gäbe, einen sicheren Ort, am besten mitten im Nirgendwo, an dem ich von starken Unsterblichen umgeben wäre und vielleicht sogar lernen könnte, mich selbst zu schützen ... he, warte!« Ich wandte mich um zu Solis, die Augen aufgerissen. »Oh mein Gott, das hört sich an wie hier! Es hört sich an, als würde ich bereits das tun, was du von mir erwartest! Ist das nicht irre?« Solis sah mich so empört und verärgert an, dass ein Muskel in seinem Kiefer zuckte. Offensichtlich hatte ich genau ins Schwarze getroffen. Das kam nicht allzu oft vor, also musste ich meinen Triumph genießen. Solis kippte das Rührei in eine Servierschale, schnappte sich die Platte mit dem Speck und verschwand ins Esszimmer. Die Schwingtür war kaum zugefallen, als River und Ottavio hereinkamen. Ich knirschte mit den Zähnen. Es war kaum sieben Uhr morgens und mein Magen war bereits ein einziger Knoten. Zum Glück hatte ich die Erinnerung an die heiße

Weitere Kostenlose Bücher