Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
Vom Netzwerk:
persönliches Wort mit ‘‘ihm’’ zu reden.“
    „ Und wenn es uns gelingt, ihn umzustimmen, bringen wir ihm einen Fackelzug. Wird sich da aber der ‘‘lange Zeus’’ giften!“
    Alle lachten unbändig und beschlossen, bei dem Ausflug gut zusammenzuhalten. Tess sollte den Ansturm beginnen.

 
     
     
     
     
     
     
     

     

3. Kapitel
     
     
     
     
    Es war ein sonniger Junitag, als sich pünktlich um zwei Uhr die kleine Schar am geologischen Institut sammelte. Keine Minute ließ Dr. Riemenschneider auf sich warten, wie ein Onkel reichte er allen herzlich die Hand und hinter den Brillengläsern leuchtete es von sichtbarer Freude.
    „ Wir wollen uns einen schönen Tag machen, meine Herrn?“, begann er. Alle wahren Feste werden in der Natur gefeiert, am Waldesrand oder im Wald. Was ist je Größeres gedacht worden von einem schaffenden Geist als die erhabenen Hallen des Laubwaldes! Das ist der Tempel, der wahrhaft zur Andacht stimmt. Lassen sie uns jetzt gehen, meine Herrn!“
    Er suchte sich seinen Famulus Ebersbach heraus und setzte sich mit ihm an die Spitze. Nicht weil es sein Famulus war, tat er das, sondern we il er durch ein Fußleiden im Gehen behindert war; er sollte sich nicht benachteiligt fühlen. Ebersbach, der stille, ernste, gerade Mensch, dankte es ihm mit einem treuen Blick.
    Dicht hinter den beiden gingen in gleichem leichten Schritt, in luftigen Kleidern die Freundinnen; die eine blond, klein, schlank wie eine Haselrute und gewandt wie ein Wiesel, die andere groß, dunkel, schreitend in ruhiger Anmut. Viele Augen folgten der einen und der andren, schauend, prüfend, vergleichend und – vor allem begehrend.
    Dann kamen die beiden älteren Semester: candidatus chemistriae Wedekamp, groß und dick, barhäuptig, mit beginnender Glatze, aber immer freundlich lächelnd und stets zu Scherzen aufgelegt, gutmütig wie jeder echte Schwabe. Und candidatus chemistriae Korrens, auch dick, aber klein, sehr gepflegt, tadellos gekleidet bis zum letzten Kragenknopf, ein vielgewandter Herr von nie versiegendem Redefluss, der geborene Bierzeitungsredakteur.
    Es folgten einige Semester jünger, die Ba yern Quanz und Neumeier, natürlich in ‘‘Krachledernen’’ und bunter Weste. Quanz, ein untersetzter, kräftiger und fröhlicher Bursch, von norddeutscher Höflichkeit noch nicht übertüncht. Neumeier schlank und groß, still versonnen, ein lieber Mensch, der für jeden ein feines, gewinnendes Lächeln hatte.
    Am Schluss gingen etwas regellos die vier Norddeutschen, die sich meist gesondert hielten; der Hamburger Alsing, hellblond, dünn wie ein Reiskorn, sehr ‘‘etepetete’’; der Berliner Weißmann, etwas salopp, aber ein ernster Denker, ein dezent geschnittener Kopf; der Pommer Zahnow, breitschultrig und groß, etwas schwerfällig, aber sehr brav und gediegen; schließlich der Kasseler Sinning, patent, ein bisschen ruhmredig, wortgewandt, aber gutmütig.
    Als man sich den letzten Gärtnereien näherte, wandte Riemenschneider sich um und fragte: Welchen Weg gehen wir? Über Lustnau? Oder hier hinauf, über den Apfelberg und durch den Buchenwald?“
    „ Ach ja, Herr Doktor, durch den Buchenwald!“, bat Wedekamp und Korrens. Und Ebersbach nickte auf seinen fragenden Blick hin sehr herzliche Zustimmung. Die Damen wurden gar nicht gefragt.
    „ Mulier taceat in ecclesia!“, raunte Korrens dem Freunde zu. Die beiden hatten sehr bald nach dem Abmarsch die Damen überholt und hielten den Ehrenplatz hinter ‘‘Ihm’’ fest. Sie waren trotz ihrer 25 und 26 Jahre doch noch rechte Kinder. Und das Ewigweibliche spielte eben, wo sie mit einem Fuß schon im Examen standen, nicht mehr die Rolle wie damals, als man noch große Illusionen hatte, die Vorlesungen schwänzen durfte und – noch keinen Riemenschneider kannte. Wenn man’s recht nahm, war ‘‘Er’’ eigentlich schuld daran, dass man keinen solchen Spaß mehr an den Mädels hatte. Aber man bedauerte diesen Verlust nicht sehr; was ‘‘Er’’ an die Stelle gesetzt hatte, wog schwerer. Man belustigte sich über das, was man in der Stadt manchmal aus dem Munde der Weiblichkeit hörte: „Och, ihr seid ja alle verliebt in euren Riemenschneider.“ Ärger sprach daraus, blasser Neid und – grenzenloser Respekt.
    „ Wann schicken wir die ‘‘Marie-Therese’’ zum Sturm vor?“, fragte Korrens den langen Wedekamp.
    Wed ekamp sickerte nach hinten. „Na, die beiden sind schon weit zurückgeblieben. – Ich denke, oben auf der Höhe

Weitere Kostenlose Bücher