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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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Ebersbach und Wedekamp auf einem mit Moos gepolsterten Baumstamm, mehr in ernste Gespräche vertieft, als den Spielen zuschauend. Als der kleine Korrens sich dieser Gruppe näherte, erhob sich Wedekamp mit bedeutsamem Augenzwinkern und ging wieder zu den Spielen hinüber. Riemenschneider lächelte dem Ankömmling freundschaftlich zu und machte ihm auf seinem Baumstamm Platz.
    Die Gelegenheit ist günstig, dachte Korrens und begann: „Die Leudelfingen ist eine wunderbare Frau!“
    „ O ja“, warf Riemenschneider leicht hin, während der stille Ebersbach einen Blick nach den Spielenden hinüberwarf. Wahrscheinlich den Ersten an diesem Tage überhaupt.
    „ Man findet selten soviel Vollkommenheiten in einem Menschen vereinigt“, fuhr Korrens fort.
    Gerade in diesem Augenblick begann ein Wettlauf, den Wedekamp angeordnet hatte. Tess flog wie ein Pfeil dahin, von ihren Kleidern umwirbelt, sie schien alle anderen weit hinter sich zu lassen.
    „ Sehen sie doch“, ereiferte sich Korrens, indem er aufsprang und sich weit vorneigte, als wollte er der Läuferin folgen in ihrem rasenden Flug. „Fabelhaft! Ganz fabelhaft!“
    „ Sie bewegt sich sehr leicht“, stellte Riemenschneider ruhig fest.
    „ Ein Mensch, der jede Hemmung äußerlich und im Innern verloren hat!“
    Riemenschneider sah schräg unter sich. „Sind die Hemmungen in uns alle schlecht? Ich denke, es gibt auch gute Hemmungen; was wäre ein Uhrwerk ohne Hemmungen!“
    „ Ach, so meinte ich’s natürlich nicht, Herr Doktor.“
    „ Sie meinten es nicht, Korrens, aber es ist in der Tat so: Sie hat so manche Hemmung in sich abgelegt, auch zu ihrem Schaden.“
    „ Aber – sehen sie mal, wie sie da zurückkehrt! Sie hat gesiegt, aber mit einer kleinen Geste, mit einem anmutigen Lächeln tut sie das ab.“
    „ Fräulein von Leudelfingen ist gewiss eine schöne Frau, aber …“
    „ Aber??“
    „ Ja, sie ist – ich möchte sie mit einem wilden Bergbach vergleichen, der alles mit sich fortreißt. Ist das Vollkommenheit? Sie sagten vorhin: ‘‘ein ganz vollkommener Mensch’’, aber man kann über den Begriff ‘‘Vollkommenheit’’ doch verschiedener Meinung sein. Es gibt Frauen – selten – die gleichen einem Alpensee; tief klar wie Kristall und vollkommen in sich ruhend. Es gibt auch Frauen, die wie Blumen sind. Sehen sie mal diese Glockenblume da am Rande der Waldwiese! Sie blüht in einer ideal schönen Form, ihre Farbe ist zart wie ein Hauch, im Winde neigt sie sich mit einer unendlichen Anmut. Was fehlt ihr an der Vollkommenheit! Würde sie noch gewinnen, wenn sie Sprünge machen oder fliegen könnte! Gerade ihre Hilflosigkeit, ihr rührendes Vertrauen auf den Schutz und das Mitgefühl der Menschen bewirken ihren Zauber. Andere Frauen sind wie ein Lied, wie ein Klang aus fernen Zeiten, ihre Seele klingt mit, schon bei jedem Wort, das sie sprechen. Aber wenn sie singen, ist’s, als ob der Stein des Sisyphos zur Ruhe käme, das Rad des Ilion still stände, der ewig schmachtende Tantalus von seinen Qualen erlöst würde, wie Schopenhauer es so schön sagt: Aber warum sprechen wir von den Frauen!“ Riemenschneider schüttelte, nachsichtig über sich selbst lächelnd, das Thema ab und wandte sich wieder dem treuen Ebersbach zu. Er achtete nicht darauf, dass sich ein kleiner Kreis um ihn sammelte. Er sah auch nicht – und ahnte nicht, dass Korrens sich seitwärts in den Wald schlich und einige Minuten lang eifrig stenografische Notizen in sein Taschenbuch machte. Nur als er nach einigen Monaten in einer Zeitschrift einen Aufsatz über ‘‘vollkommene Frauenschönheit’’ fand, lächelte er und drohte sanft mit dem Zeigefinger: „Dieser Korrens!“
     
    „Sie wollten mir noch von dem grünen Farbstoff erzählen“, erinnerte Ebersbach, „der hier manchmal in morschem Eichenholz vorkommt.“
    „ Ach ja“, besann sich Riemenschneider. „Alte Jugenderinnerungen! Mein Vater, der hier in der Nähe Oberförster war, schickte uns Knaben oft in den Wald, wo wir ihm Moose und Pilze für seine große Sammlung suchen mussten. Besonders interessierte uns Buben ein kleiner Pilz, ‘‘peziza aeruginpsa’’, der in morschem Eichenholz wie es hier am Boden herumliegt, lebt und durch seine Infiltrationen das Holz blaugrün färbt, fast wie Grünspan.“
    „ Hat aber mit Kupfer nichts zu tun?“
    „ Natürlich nicht! Es ist ein organischer Farbstoff. Xylidin genannt, der die merkwürdige Eigenschaft hat, sich in Karbolsäure zu lösen.“
    „

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