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Entfesselte Energien (Band 1)

Entfesselte Energien (Band 1)

Titel: Entfesselte Energien (Band 1) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Collmann
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erst sehr gesträubt.
    „ Kommen sie doch bitte mal mit herunter. Baroness, und sehen sie sich unten die Wirtschaft an!“, bat er, allmählich sicherer geworden.
    „ Heute nicht!“, erwiderte Tess traurig, „ich weiß es ja auch so, ich habe es schon unterwegs auf den Feldern gesehen.“
    „ Aber später darf ich – noch einmal …“
    „ Wir wollen’s verschieben bis nach der Beerdigung.“
    Damit ging er. Aber es währte nicht lange, da kam wieder ein anderer. O ja, ihr habt eure Truppen gut eingeteilt, dachte Tess, als der Kaplan in ihr Zimmer trat. Sanft lächelnd, äußerst demütig nahm er sein Käppchen ab und wartete an der Türe, bis die Baroness geruhte, ihm die Fingerspitzen zu reichen und ihn zum Sofa zu geleiten.
    Tess überlegte: Soll ich grob werden und kurzen Prozess machen, oder soll ich mich weiter mit Geduld wappnen und alles über mich ergehen lassen? Das süße, scheinheilige Lächeln des alten Herrn trieb sie zum Ersteren, doch das geistliche Gewand und das hohe Alter des Besuchers, seine jahrzehntelange Verbundenheit mit der Familie bewog sie dann doch zum geduldigen Zuhören. Also kauerte sie sich, ganz klein und jämmerlich in einen Sessel, zog die bitterste Miene auf und löschte alle Hoffnung, allen Lebensmut in sich aus.
    Der geistliche Herr begann, den greisen Kopf schräg geneigt, die Hände leise zusammengelegt: „Ein neuer harter Verlust hat ihre Familie betroffen; schwer liegt die Hand des Herrn auf dem Hause Rechberg-Leudelfingen. Wir wissen nicht, wohin uns die Wege des Unerforschlichen führen, uns geziemt es nur, uns in Geduld zu fassen, uns unter den Schmerz zu beugen, aber uns nicht von ihm zerbrechen zu lassen. Wir müssen ausharren und auf das Ende warten, inzwischen aber, solange uns Frist gegönnt ist auf dieser Erde, unsere Arbeit verrichten im Schweiße unseres Angesichts.“
    Einleitung , dachte Tess und nickte ergeben.
     
    „Leider ist nun – außer dem Schweren, was der Himmel über uns verhängt hat – hm – ja – auch noch …“
    Übergang ! Flüsterte Tess in sich hinein. Nicht ganz einfach!
    „ Auch bei uns Menschen ist nicht alles so, wie es – doch eigentlich – gerade in so schwerer Zeit – sein sollte. Die Früchte auf dem Felde schreien nach Arbeit und der Hände, die schneiden sollen, sind – zu wenig.“
    Er hat ’s geschafft, stöhnte Tess erleichtert und – nickte bitter.
    Ermutigt durch die Geduld und Ergebenheit seines Beichtkindes ging der würdige Herr ziemlich unvermittelt zum Kernpunkt über. Sich zu ihrem Sessel hinüberneigend, raunte er: „Es wird ihrem Herrn Bruder zu viel, Baroness. Die Arbeit wächst ihm über den Kopf. – Er meistert’s nicht.“
    Der Sprecher suchte die Wirkung seiner Worte zu ergründen, aber die, die ihm da gegenüber saß, richtete sich nicht auf aus ihrer Versunkenheit, sah auch jetzt, wo er eine Pause machte, nicht zu ihm auf. Nur einmal schien sie ein wenig aufzuseufzen, um gleich darauf wieder in ihre Bewegungslosigkeit zu versinken. Ei, Ei, dachte er, ist das der lockere Zeisig, der mir früher so viel zu schaffen machte? Wo hat er denn sein Temperament gelassen? Also setzte er neue Bohrer an: „Dieses uralte Schloss, das den Jahrhunderten getrotzt hat, das weder der Dreißigjährige Krieg noch Turenne und Melac mit ihren Mordbrennerscharen niederzwingen konnten, dieses Schloss und Gut der Familie Rechberg-Leudelfingen ist jetzt – in ernster Gefahr.“ – Leiser – „Es sind Gläubiger da, die gewichtige Papiere in der Hand haben und die“ – er wiegte bedenklich das greise Haupt – „bald drängen werden.“
    Sehr wirksame Steigerung , dachte Tess und stöhnte vernehmlich auf.
    „ Wenn man solche Schwierigkeiten überwinden will“, fuhr ihr Gegenüber fort, „muss man gut rechnen und – sparsam Haushalten können. Man darf nicht viel auswärts – hm – feiern, nicht spät zu Bett gehen, denn man muss früh auf dem Posten sein und nach allem schauen. Sonst geht manches – neben aus!“
    Wieder machte der hochwürdige Herr eine Pause.
    Franz ist jetzt schon bald in Berlin, dachte Tess und atmete unruhig.
    Das wirkt, stellte der gewiegte Menschenkenner fest, aber ich muss noch etwas tiefer gehen.
    Zu welchem Schlag holt er jetzt aus? Dachte Tess, die seinen Entschluss zu gesteigertem Einsatz spürte, und sie rüstete sich im Stillen.
    „ Wer herrschen will, darf nicht genießen“, fuhr der sich immer aufs neue Verwandelnde fort. Jetzt war er der strenge Richter, dem von Gott

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