Entflammt von deiner Liebe: Roman (German Edition)
musste das gespürt haben, denn er erhob sich, ging zu seinem Begleiter und legte ihm die Hand auf die Schulter, um ihn zu besänftigen. »Lord Nash, die Landkarte trug die Adresse dieses Hauses«, sagte er ruhig. »Diese Tatsache ist nicht wegzudiskutieren. Und jetzt, wenn Ihr vielleicht mit uns zusammenarbeiten würdet, dann –«
»Wer seid Ihr?«, fauchte Nash.
»Wie bitte?«
»Wer, zum Teufel, seid Ihr?« Nash ging auf Kemble zu. »Bei Gott, ich weiß, dass ich Euch irgendwo schon einmal gesehen habe – und das erst vor Kurzem.«
Mr. Kemble ließ schweigend die Hand sinken.
Nash fühlte seine Erinnerung sich verfinstern, als würde er in Ohnmacht fallen. Oder einen Mord begehen. »In Wapping«, murmelte er. »Ihr wart in Wapping, richtig? Bei Neville Shipping. Dort habe ich Euch gesehen.«
Mr. Kemble lächelte schwach. »Vermutlich habe ich zu sehr gehofft, Ihr würdet Euch nicht erinnern. Die meisten Menschen tun das. Sie sehen nie die Dienstboten, die sich im Hintergrund plagen.«
Ein Dienstbote? Dieser Mann war kein Dienstbote.
»Was habt Ihr dort gemacht?«, fragte Nash rau und fürchtete schon die Antwort. »Was? Sagt es mir, bei Gott!«
Wieder wechselten die beiden Männer beredte Blicke. De Vendenheim sprach als Erster. »Ihr dürft Lord Rothewell oder seiner Schwester nicht die Schuld geben«, sagte er ruhig.
Nash versuchte die Worte aufzunehmen, aber ihnen eine andere Bedeutung zu geben. Er konnte es nicht. Seine Wut verwandelte sich in ein seltsames Gefühl der Vorahnung und etwas noch Schlimmeres. Eine krankmachende Angst. In diesem Moment klopfte es an der Tür. Nash ging durch den Salon und riss die Tür auf. Mit einem Blick überschaute er den Halbkreis von Dienern mit blassen Gesichtern und Tony, der hinter ihnen stand. Auch Xanthia und Rothewell befanden sich in der großen Halle. Rothewell sah ernst aus. Xanthia flüsterte ihm etwas ins Ohr, ihr Gesicht war bleich, ihre Miene beschwörend.
Xanthia. Sein Blick begegnete ihrem, bittend. Flehend. Sie wandte ihr Gesicht ab.
Nashs Knie fühlten sich an, als würden sie nachgeben. Ein Holzpflock war ihm soeben mitten ins Herz getrieben worden. Es war, als würden unbezwingbare Wellen von Leid und Zorn über ihm zusammenschlagen, als würde sein Schiff untergehen, unter seinen Füßen zu Treibgut zersplittern, als würde er sich an ein Trümmerteil klammern, während er sich fragte, ob er gerettet werden oder ertrinken würde.
Allmächtiger Gott. Xanthia. Es war unmöglich. Das konnte nicht sein.
Tony betrat den Salon. Zitternd holte Nash Atem und zwang sich, seine Aufmerksamkeit auf seinen Stiefbruder zu richten, der noch seine weiße Cricketkleidung trug. »Stefan, du siehst krank aus«, sagte Tony sehr ruhig. »Mama sagt, aus dem Salon seien wütende Schreie zu hören gewesen. Ist alles in Ordnung?«
Nash packte Tony am Arm. »Ihr werdet mich jetzt entschuldigen«, sagte er über die Schulter hinweg zu de Vendenheim. »Ich wünsche, einen Moment allein mit meinem Bruder zu sprechen.«
Nash führte Tony in den gegenüberliegenden Korridor. Er musste sich zwingen zu gehen, zu denken. Auch seine Hände zitterten jetzt. Er wollte zu Xanthia laufen und die Wahrheit einfordern. Aber die Wahrheit würde ihn umbringen. Genau genommen hatte sie es schon getan.
»Wohin gehen wir?« Tonys Stimme klang beunruhigt. »Und wer, zum Teufel, sind diese Männer?«
»Sie sind dein schlimmster Albtraum, Tony«, knurrte Nash und stieß die Tür zur Bibliothek auf. »Wir müssen entscheiden, was zu tun ist – und zwar sofort.«
Nachdem er die Tür geschlossen hatte, fuhr Nash sich mit beiden Händen durch das Haar. Aber es war nicht an Tony, die Entscheidung zu treffen, nicht wahr? Es war sein Leben, das in Trümmern lag, während Tonys noch gerettet werden konnte. Nash wollte schluchzen, seine Fäuste erheben und jemanden schlagen – Tony, Kemble, de Vendenheim, irgendjemanden, irgendjemanden außer ihr – und ihn ernsthaft verletzen. Er war ausspioniert worden. Der Mann mit Namen Kemble war ihm nicht zufällig bei Neville Shipping begegnet. Und Xanthia war genauso wenig zufällig mit ihm ins Bett gegangen. Der unausweichliche Horror dieser Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag.
»Was habe ich getan, Nash?«, fragte Tony ruhig. »Und was kann ich tun, um zu helfen?«
»Tony«, sagte Nash grimmig, »hättest du getan, um was ich dich in den letzten fünf Jahren immer wieder gebeten habe – auf deine Frau zu achten, ein Auge auf sie zu haben –,
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