Entflammt von deiner Liebe: Roman (German Edition)
aufstrebenden Mauern der Gebäude und Lagerhäuser wider, die beide Seiten der Straße säumten. Der schweflige Geruch von gärendem Hopfen, der von der flussaufwärts gelegenen Brauerei herüberwehte, stieg ihr in die Nase, doch über allem lag der stechende Geruch des Niedrigwassers.
Ein Karren rumpelte vorbei. Er war beladen mit Holzbrettern, die ohne Zweifel für die Fassbinderei bestimmt waren. Xanthia ließ ihn passieren und bog nach wenigen Schritten in die schmale, mit Kopfsteinen gepflasterte Gasse ein, die zu den Hermitage Stairs hinunterführte. Gareth Lloyd erwartete sie am Beginn der Treppe, an deren Fuß ein Boot, das er gerufen hatte, auf den sich kräuselnden Wellen tanzte. Es sah neu und stabil aus, und der Mann darauf trug stolz das Ärmelabzeichen aus Bronze, das ihn offiziell als Fährmann auswies.
Offensichtlich hatte Gareth vor, sie zu begleiten. »Es ist schon spät«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. »Ich habe Bakely zum Dock geschickt. Er wird eine Schute losschicken, sobald die Belle Weather vor Anker geht, und Stretton sagen, dass er morgen berichten soll.«
Einen Augenblick lang erwog Xanthia, seine Begleitung abzulehnen, aber sie war ein praktisch denkender Mensch. Es würde weitaus besser aussehen, in Westminster in Begleitung eines Gentleman einzutreffen – oder eines Mannes, der immerhin so aussah – als allein. Schließlich musste sie auch Rücksicht auf Pamela nehmen. Xanthia legte die Hand auf Gareths, wie sie es schon tausendmal zuvor getan hatte. »Du musst das nicht tun.«
»Das weiß ich«, sagte er und führte sie vorsichtig die Stufen hinunter.
Sie nahmen im Boot Platz, der Fährmann stieß es von der Treppe ab und strich mit den Rudern tief und kraftvoll durch das trübe Wasser.
Xanthia versuchte sich auf das Flussufer zu konzentrieren und nicht auf den Mann, der neben ihr saß. Sie liebte diesen Blick auf London. Er zeigte nicht die steife, elegante Welt von Mayfair und Belgravia, sondern die lebendige, atmende des Handels, die von den riesigen Lagerhäusern der East India Company und den hohen Kranaufbauten auf dem neuen St. Katharine’s Dock beherrscht wurde. Mit kahlen Masten dümpelten große Handelsschiffe und schlanke Klipper im Hafenbecken in der auflaufenden Flut. Schuten fuhren hin und her, um die kostbare Fracht der größeren Schiffe zu löschen und sie sicher an Land zu bringen. Und wenn ein Mann sich durch diese beeindruckende, betriebsame Welt eingeschüchtert fühlen konnte, so war eine Frau ... nun, ganz offensichtlich fehl am Platze. Gareth hatte nicht unrecht, was diesen Punkt anging.
Aber Xanthia fühlte sich, als gehörte sie hierher – auch wenn ihr gelegentliche Seitenblicke zu verstehen gaben, dass sie nicht für jeden hierherpasste. Natürlich gab es auch andere Frauen im Hafenviertel, aber das waren Ladenbesitzerinnen, Näherinnen oder die Ehefrauen von Kaufleuten. Oder die allgegenwärtigen Prostituierten, die jeden Zentimeter jedes Hafens in Gottes weiter Welt bevölkerten. Sie waren ein Teil des Lebens, vor dem die Ladys von Mayfair zweifellos zurückschreckten. Xanthia hingegen war an ihren Anblick gewöhnt. Gareth irrte sich. Ich bin keine Lady, dachte sie, während sie nach der Belle Weather Ausschau hielt. Jedenfalls keine richtige. Aber das bekümmerte sie nicht so sehr, wie es das vielleicht hätte tun sollen.
Als Xanthia in der Hanover Street eintraf, wurde ihr zu ihrer Sorge mitgeteilt, dass Lady Sharpe noch ruhte. Es war Anweisung gegeben worden, Xanthia in das Schlafgemach der Hausherrin zu führen, in das sie ein Diener sofort brachte.
Xanthia betrat das Zimmer und sah, dass Pamela nicht im Bett, sondern eingehüllt in eine Wollstola auf einem langen, samtbezogenen Diwan lag. Ihre Tochter Louisa saß gerade aufgerichtet auf einem Stuhl neben ihr. Lady Louisas hellblonde Locken schienen ein wenig von ihrer Spannkraft verloren zu haben, und die verquollenen Augen und die Nase des Mädchens hatten einen dramatischen Rosaton angenommen.
»Himmel, Pamela!« Xanthia streifte ihre Handschuhe ab. »Und Louisa–? Was, um alles in der Welt, ist geschehen?«
Sofort brach Louisa in Tränen aus, sprang von ihrem Stuhl auf und lief zur noch offen stehenden Tür hinaus.
»Du meine Güte«, sagte Xanthia, als sie den wehenden Röcken des davoneilenden Mädchens hinterherblickte.
Pamela sah Xanthia mit einem etwas schiefen Lächeln an und bedeutete ihr mit einer Geste, auf dem Stuhl Platz zu nehmen. »Das Kind ist siebzehn. In dem
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