Entflammt
ich stocknüchtern war. Ich sah zu ihm auf, spürte, wie schnell er atmete, und betrachtete die Farbe seinerLippen. So vorsichtig, als wollte er mir Gelegenheit zur Gegenwehr geben, küsste er meine aufgeschürfte Wange, was sie brennen ließ. Ich sah immer noch fassungslos zu ihm auf und konnte nicht glauben, dass ich ihn trotz allem wollte und zwar mehr als jeden anderen Mann in meinem bisherigen langen Leben. Er griff in meine Haare, hielt damit meinen Kopf ruhig und beugte sich wieder über mich. »Küss mich«, verlangte er und sah auf meinen Mund. »Küss mich.«
Meine Nerven begannen zu erwachen, von den Füßen über die Beine zur Brust in die Arme und ins Gesicht. Er senkte wieder den Kopf, den Mund hart auf meinen gepresst, und langsam, während die Unmöglichkeit des Ganzen in mein Gehirn sickerte, erwiderte ich den Kuss.
Es war Monate her, seit ich das letzte Mal jemanden geküsst hatte, und ich erinnerte mich kaum noch an den Typen in diesem Lagerhaus in London. Ich konnte mich auch nicht erinnern, wann ich das letzte Mal hellwach und nüchtern gewesen war und jemanden mit Absicht geküsst hatte. Wirklich, ich wusste es nicht mehr. War es Jahre her? Jahrzehnte? Es war ... wundervoll. Ich konnte nicht fassen, dass dies Reyn war. Reyn, trotz allem, was zwischen uns stand.
Ich atmete jetzt schneller. Reyn zwängte sein Bein zwischen meine Knie und ich spürte, wie sich sein ganzer Körper an mich presste, ein warmes Gewicht, das sich ganz neu und einzigartig anfühlte. Seine andere Hand wanderte zu meiner Hüfte und glitt unter dem Pullover an meiner Seite hoch, als wollte er die Weite meines Brustkorbs ertasten. Er hob einen Moment lang den Kopf, sah mir in die Augen und dann trafen unsere Münder wieder aufeinander. Ich hatte die Arme um seinen Hals gelegt und ein Bein um seines geschlungen. Es fühlte sich ... unglaublich gut an. Sein Gewicht, der Duft seiner Haut, das Gefühl seiner Haare zwischen meinen Fingern, sein Mund auf meinem, unser Atmen im gleichen Rhythmus ... es war das unfassbar beste Gefühl, seit, ach, keine Ahnung, seit wann. Ich spürte, wie etwas - reine Glückseligkeit? - in meiner Brust explodierte und drückte mich noch enger an ihn, fasziniert davon, wie gut unsere Körper zusammenpassten. Meine Finger wanderten an dieStelle, wo seine Hemdknöpfe anfingen, zur gebräunten glatten Haut seiner Brust. Sie war so warm, als stünde sie in Flammen.
Oh, wäre er doch nur mein ...
Ich kniff die Augen zu und hörte auf zu denken, ließ mich einfach gehen, fasziniert, liebestrunken und beinahe - nein, wirklich, glücklich.
Er löste seinen Mund von meinem und begann, meinen Hals unter dem Kinn zu küssen. »Du bist wunderschön«, murmelte er, während sich bei mir alles drehte. »Du bist wunderschön. «
Ich schaute in seine tollen schrägstehenden Augen. »Du magst mich nicht.«
»Ich mag dich zu sehr«, stieß er hervor. »Ich will dich zu sehr. Ich habe versucht, mich fernzuhalten. « Er küsste mich wieder auf den Mund und seine Worte gingen mir in meinem verwirrten Kopf herum. Diese Momente löschten alle Erinnerungen an jedes andere Gesicht und jeden Kuss der letzten vierhundert Jahre aus. Das hier fühlte sich atemberaubend neu und so wichtig an, als wäre ich wieder ein Teenager. Er war alles, was ich wollte, alles, was ich je gewollt hatte, alles, was ich jemals wollen würde. Ich sah ihn an, unser Atmen durchbrach die Stille im Stall, ich lächelte zu ihm auf - und eisiges Erkennen breitete sich auf seinem Gesicht aus, erreichte seine Augen und brachte das Feuer darin zum Erlöschen.
Nein, nein ...
Er blinzelte, als wäre er aus einem Traum erwacht. Eine böse Vorahnung lastete auf meiner Brust und krampfte sich in meinem Magen zusammen. Er betrachtete meine Haarsträhnen zwischen seinen Fingern und sah mir in die Augen, als sähe er mich zum ersten Mal. Meine Arme wollten ihn auch dann noch festhalten, als seine Augen groß wurden und er sich von mir herunterstemmte.
Nein, nein, nein - komm zurück ...
»Deine Augen. Dein Haar. Du bist erwachsen geworden.« Er sah geschockt aus, richtete sich zu hastig auf und knallte mit dem Kopf gegen einen Deckenbalken. Das Wort, das er ausstieß, kannte ich nicht, aber es war zweifellos irgendeineVersion von »Scheiße!«
»Ja, natürlich«, sagte ich. Ich schluckte, meine Arme fühlten sich schmerzhaft leer an und mein Körper kalt, wo er gerade noch gelegen
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