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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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strich sie mir übers Haar und ging. Wäre Nell in diesem Moment in die Küche gekommen, hätte ich ihr einen Teller über den Schädel gehauen. Doch ich blieb allein und wusch das blöde Geschirr ab. Dann ging ich nach oben, zauberte mir ein Türschloss, legte mich mit allen Klamotten ins Bett, trank meinen Tee und heulte mich in den Schlaf.

29
    Der nächste Tag war ein Samstag. Ich sollte zwei Pferde putzen. Mir waren Sorrel und Titus zugeteilt worden. Sorrel war ein kleines kompaktes Quarter Horse, mit dem wir oft ausritten; Titus ein irisches Zugpferd, das gelegentlich auch vor irgendeinen Wagen oder Karren gespannt wurde. Die beiden waren nette Tiere, ruhig und freundlich, ganz anders als das Teufelshuhn.
    Ich band Sorrel auf dem Putzplatz fest und fing an, sie zu striegeln. Sie pustete mir in die Haare, als ich ihr Staub und lose Haare aus dem Fell bürstete.
    Pferde. Ich wollte nicht mal über Pferde reden. Man kann gar nicht genug betonen, welche entscheidende Bedeutung Pferde bis vor rund hundert Jahren für die Menschheit hat— ten. Mehr als tausend Jahre lang hielten uns Menschen allein Pferde und Kühe am Leben, ermöglichten uns das Reisen, die Beförderung schwerer Lasten und das Bestellen von genügend Land, um damit eine Familie zu ernähren. Ich hatte immer Pferde um mich gehabt. Während ich in England gelebt hatte, war ich richtig pferdeverrückt gewesen, war jeden Tag geritten, hatte maßgearbeitete Sättel gehabt. Doch Pferde waren wie alle anderen Lebewesen: Sie starben irgendwann. Ich war darüber hinweggekommen. Und jetzt mied ich sie nach Möglichkeit. Ihre wissenden Augen, ihr empfindsames Wesen - sie durchschauen einen genauso wie Hunde, Katzen und kleine Kinder. Ich mied sie alle. Außerdem weckte allein der Geruch von Pferden so viele Erinnerungen in mir - wie das mit Gerüchen so ist. Manchmal kann ich in genau demselben Gebäude oder Flughafen sein oder denselben Ausblick von einer Brücke haben, ohne mich daran zu erinnern, auch wenn ich genau weiß, dass ich schon mal da war. Aber wenn die Erinnerung mit einem Geruch verbunden ist, fallen mir selbst die kleinsten Details wieder ein. Der Duft von gerösteten Erdnüssen in Manhattan. Der Geruch des Mittelmeers in Menton. Frisch gemähtes Gras in Kansas. Schnee in Island. Gepresste Trauben in Italien. Spritzgebäck und Kaffee in New Orleans.
    Und Pferde.
    Sorrel stampfte leicht mit dem linken Vorderhuf, während ich krampfhaft versuchte, nicht an den Heuboden vier Meter über uns zu denken. Ein paar Minuten lang war ich dort oben sehr glücklich gewesen.
    Erst der Striegel, dann die Wurzelbürste, dann die Kardätsche, dann das alte Handtuch. Sorrel war schön genug für eine Postkarte, als ich mit ihr fertig war. Mit dem Hufkratzer reinigte ich noch ihre beschlagenen Hufe, und das war's. Als ich sie losmachte, fuhr sie mir mit der Nase durch die Haare.

    Ihr warmer Atem duftete nach Heu.
    »Schon gut, Pferdchen«, murmelte ich und brachte sie zurück in ihre Box.
    Titus war größer und schwerer, aber längst nicht so riesig wie etwa ein Percheron oder Shire. Ich habe Shire Horses gesehen, die echt gewaltig waren. Ich band Titus auf dem Putzplatz an und hob mit einem schon jetzt schmerzenden Arm den Gummistriegel.
    ***
    Zugpferde.
    Mein Vater hatte Kriegspferde besessen - nicht diese schweren Riesen wie in anderen Ländern, die Männer schleppenmussten, die mit ihrer Rüstung zweihundert Kilo wogen. Aber dennoch große, starke Pferde, die für den Kampf gezüchtetwaren. Wir Kinder durften nicht in ihre Nähe. Er hatte aber auch, was man damals Damenpferde nannte - kleinere, leichtere Tiere, meistens Stuten, auf denen ich, meine Mutter und meine Geschwister reiten durften. Ich wurde mit drei Jahren zum ersten Mal aufs Pferd gesetzt. Mit sechs konnte ich mein Pferd richtig reiten - ich weiß nicht mehr, wie sich der alt-isländische Name richtig ausspricht, aber ich weiß noch, dass er Seestern bedeutete, wegen der lustigen Blesse, die es hatte. Meine Schwestern, mein Bruder und ich ritten immer ganz gemächlich vom Burghof und suchten uns einen Weg hinunter an den steinigen Strand. Da übten wir dann, auf dem Pferderücken zu stehen, die Zügel nur in einer Hand, die andere dramatisch hoch über den Kopf erhoben. Wir fanden, dass das unglaublich wagemutig aussah.
    Nachdem ich alles verloren hatte und bei meiner Pflegefamilie lebte, die mich dann mit Asmundur verheiratete, bekamen wir von seinem Vater ein

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