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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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kleiner Bruder tot.
    Meine Mutter stand noch, hoch aufgerichtet und schrecklich, und ihre Kraft strömte aus ihr heraus. Ich sah einen Blitz durch die Luft schießen, der den größten Angreifer ins Auge traf. Es explodierte. Er schrie, ließ die Axt fallen und presste eine Hand auf die ausgebrannte Augenhöhle. Als meine Mutter erneut die Hände hob, schwang er mit der anderen Hand sein Langschwert, schneller, als ich es für möglich gehalten hatte. Ich spürte den Ruck, der durch meine Mutter ging, als sie getroffen wurde, und dann kippte sie sehr, sehr langsam nach hinten um. Ich klammerte mich an ihren Rock und kniff die Augen zu und sie fiel direkt auf mich. Mein Kopf schlug so hart auf dem Steinboden auf, dass ich Sterne sah und den Lärm im Raum einen Moment lang nur gedämpft wahrnahm. Meine Mutter lag schwer auf mir und der dicke Wollstoff, den sie trug, drohte mich zu ersticken. Ich konnte nichts sehen, konnte mich nicht bewegen. Das Geschrei war nicht mehr so laut. Ich roch ekelhaften Brandgeruch von Haaren, Wolle und Haut.
    Ich weiß nicht, wie lange ich dort lag. Irgendwann war alles still, aber ich rührte mich trotzdem nicht, obwohl ich kaum Luft bekam. Rauch drang mir in die Nase und den Hals. Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich tatsächlich keine Luft mehr bekam. Ich drückte probeweise gegen den Körper meiner Mutter, aber ich musste die Füße in den Boden stemmen und sie mit aller Kraft von mir herunterrollen. Ich machte die Augen auf. Im Raum war nichts Lebendiges mehr. Um mich herum lagen die Leichen meiner Brüder und Schwestern. Ich sah das Gesicht meiner Mutter, das immer noch wunderschön war. Der Gang war leer. Von draußen drangen gedämpfte Rufe zu mir herein. Die Burg brannte, der Raum stand in Flammen und die Hitze war beinahe unerträglich.
    Mühsam rappelte ich mich auf. Ich war wie betäubt, konnte nicht denken, fühlte nichts. Ich kam mir vor, als wäre ich auch tot - vielleicht hatten sie mich getötet und ich war jetzt ein Geist. Mir zittrigen Beinen stieg ich über die Leichen von Eydis und Haakon hinweg. Wäre ich ein Geist, hätte ich über sie hinwegschweben können.
    Die Tür zum Studierzimmer war aufgebrochen worden, und als ich darauf zuging, sah ich aus dem Augenwinkel, wie sich die Wand bewegte. Ich sah genauer hin und sie bewegte sich wieder, ein schmaler Streifen der Steinmauer neben einem Schrank. Sie schwenkte zur Seite und ich duckte mich hastig, wobei meine Finger mit Sigmundurs blutgetränkten Haaren in Berührung kamen.
    Eine Frau spähte durch den Spalt. Sie sah vollkommen verängstigt aus. Als sie den Raum sah und was darin passiert war, drückte sie sich schnell die Hand auf den Mund, um nicht loszukreischen. Ich blinzelte und dann erkannte ich sie: Gildun Haraldsdottir. Sie war die Frau vom Stallmeister meines Vaters. Ein Mann tauchte an ihrer Seite auf: Stepan, ihr Mann. Sein Gesicht war von Sorge und Entsetzen gezeichnet und er legte ihr eine Hand auf die Schulter.
    Ich stand auf.
    Die beiden sprangen erschrocken zurück, als sie mich plötzlich zwischen den Flammen und den Leichen stehen sahen. Mit vor Schreck weit aufgerissenem Mund winkte Gildun mich zu sich. Langsam ging ich auf sie zu, ohne recht zu wissen, was ich eigentlich tat. Unter meinem Fuß knirschte etwas. Es war die schwere Goldkette, an der meine Mutter ihr Amulett um den Hals getragen hatte. Das Amulett war weg, der Hals meiner Mutter durchtrennt. Ich ging noch einen Schritt auf Gildun zu und ließ die Kette liegen, wo sie war.
    Die beiden bedeuteten mir hastig, mich zu beeilen. Ich hatte diese Geheimtür noch nie gesehen und keine Ahnung, wohin sie führte. Rückblickend weiß ich natürlich, warum meine Mutter uns in diesen Raum geführt hat. Vielleicht ist alles zu schnell gegangen, um uns durch den Fluchttunnel in Sicherheit zu bringen, vielleicht ließ er sich auch nur von der anderen Seite öffnen. Ich weiß es nicht und werde es nie erfahren. Flammen züngelten über den Teppich, auf dem ich mich bewegte. Im nächsten Augenblick würde mein Nachthemd Feuer fangen. Ich wusste nicht, dass ich unsterblich war, und hatte gerade die Ermordung meiner Familie mit angesehen. Ich wusste nur, dass es schlimm sein würde, im Feuer zu sterben. Beim nächsten Schritt trat ich wieder auf etwas. Ich hatte Angst, dass es eine Hand sein könnte, und wollte wegsehen. Doch ich konnte nicht. Ich stand auf schmorender Wolle - der

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