Entflammt
dass ich eigentlich glücklich sein müsste, dass ich alles hatte, was man sich nur wünschen konnte - aber stattdessen war in mir nur eine grässliche, heulende Leere gewesen. Natürlich hatte ich sie vor Incy verborgen und auch vor allen anderen.
In meinem Kopf wirbelten die Gedanken herum und Hunderte Bilder tauchten auf. Wie oft hatte ich in den letzten dreißig Jahren etwas allein unternommen? Incy kontrollierte nicht jeden·meiner Tage - es hatte tausend Gelegenheiten gegeben, an denen ich entschieden hatte, wohin ich wollte. Aber er war fast immer mitgekommen, auch wenn er beteuerte, dass er eigentlich gar keine Lust hatte. Aber er wollte mich nicht allein gehen lassen.
Dieser Gedankengang schockierte mich, denn so hatte ich es noch nie betrachtet. Ich hatte gedacht, wir wären einfachbeste Freunde. Dass ich bei ihm sein wollte, und es deswegen auch immer war. Doch so war es nicht. Ich erkannte jetzt,dass ich ganz andere Entscheidungen getroffen hätte, mehr Dinge allein unternommen hätte und mit anderen Leuten, wenn Incy nicht dauernd dabeigewesen wäre. Er war immer um mich herum. Trotz der unzähligen bildhübschen Jungen und Mädchen, die immer wieder Gastrollen in seinem Leben, seiner Wohnung und seinem Bett spielten, war ich die Kon—stante in seiner Existenz. Und er in meiner. Das erkannte ich jetzt.
Er muss durchdrehen ohne mich. Ich fühlte mich irgendwie komisch, weil ich dieses abartig normale Leben führte, aber ich hatte nicht das Gefühl, sterben zu müssen, weil ich nicht bei ihm war. Es ging mir gut. Und ihm? Was dachte, fühlte, machte er? Wirklich erstaunlich, dass ich nie bemerkt hatte, wie abhängig er von mir war.
Plötzlich fühlte ich mich allein. Seufzend startete ich den Wagen, um in den Ort zu fahren und Ashers Zeug von Pitsons zu holen, dem örtlichen Gemischtwarenladen. Ich würde ohne Job zu Solis zurückkommen, was mir total unangenehm war, obwohl es mir bisher nie etwas ausgemacht hatte zu versagen.
Als ich bei Maclntyres Drugstore vorbeifuhr, musste ich an die farblose Meriwether denken. Dann sah ich das Schild:Aushilfe gesucht.
Hm.
Ich fuhr weiter und machte dann eine Kehrtwendung mitten auf der Main Street. Aber da die toter war als ein überfahrenesEichhörnchen, war das kein Problem.
Ich parkte vor dem Laden und überlegte. Hatte ihr Dad Meriwether gefeuert? Würde ich dann ihren Platz in derSchusslinie einnehmen?
Ich konnte nicht widerstehen. Ich musste es wissen.
Drinnen war der Laden grau und düster. Ich fand, dass er genauso farb-und leblos aussah wie Meriwether.
»Kann ich Ihnen helfen?« Mr Maclntyres Stimme klang grob und unhöflich. Super - so einen Boss hatte ich mir schonimmer gewünscht.
»Ich komme wegen des Jobs«, sagte ich und hielt das Schild hoch.
Er musterte mich von oben bis unten. »Haben Sie Erfahrung?« »Ja. Ich habe bei uns zu Hause die Kosmetikabteilung beiSuper Target geleitet«, log ich frech.
»Das hier ist kein Target«, brummte er und ich dachte, oh, darauf wäre ich nie gekommen. »Ich brauche jemanden, der die Regale auffüllt. Damit alles ordentlich ist, solange mein Mädchen in der Highschool ist.« Sein Mädchen.
Nicht seine Tochter. Was für ein Ekel.
»Das kann ich machen.«
»Kennen Sie sich mit der Kasse aus?«
Ich warf einen Blick darauf. »Äh, diese ist etwas älter als die, die wir bei Target hatten. Ich brauche vielleicht eineEinweisung. «
Mr Maclntyre sah aus, als suchte er nach einer Ausrede, mich nicht einzustellen, aber die Tatsache, dass er jemandenbrauchte, nahm ihm den Wind aus den Segeln.
»Es gibt aber nur den Mindestlohn.«
»Okay.« Solis würde so stolz auf mich sein.
»Warum sind Sie nicht in der Schule? Wie alt sind Sie?« Ich war schon ein paarmal für Anfang Zwanzig durchgegangen,aber ich entschied, es nicht zu übertreiben. »Achtzehn. Ich habe die Highschool früher abgeschlossen und nehme mir ein Jahr frei, bevor ich aufs College gehe.«
»Ah. Gut, dann zeige ich Ihnen alles.«
Und so begann meine strahlende Karriere als Regalauffüllerin in MacIntyres Drugstore, irgendwo im Nirgendwo von Massachusetts.
14
An diesem Abend konnte ich beim Essen stolz verkünden, dass ich einen echten Mindestlohn-Job hatte. Nell lachte, hörte nach einem Blick von Asher aber schnell wieder damit auf. River bedachte mich mit einem wissenden Blick und Solis sah versöhnlich drein. Ich verspürte einen albernen Anflug von Stolz, dass ich tatsächlich etwas
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