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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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mir River die Haare aus dem Gesicht. Meine Haare, die jetzt komplett hellblond waren, ohne eine Spur von Schwarz. Mein Pony war so lang geworden, dass ich ihn hinter die Ohren streichen konnte, und der Stachel-Stufenschnitt fiel glatt herunter, weil ich schon lange kein Gel mehr benutzte.
    Meine Augen waren dunkel, von der Farbe des Nordhimmels im Winter. Meine Wangen waren jetzt voller und schimmerten rosig. Kein dunkler Lidschatten, kein rotbrauner Lidschatten veränderten mein Aussehen.
    Ich sah aus wie ein Teenager. Ein gesunder, normaler Teenager. »So sehe ich nicht aus«, wisperte ich. »So habe ich noch nie ausgesehen.«
    »Doch, doch, das hast du«, sagte River leise. Sie hockte sich neben mich und unsere Knie berührten sich. Ihre Hand lag immer noch auf meiner Schulter.
    Ich schluckte wieder und hatte das Gefühl, ich müsste einen der Steine hinunterwürgen, die ich fallen gelassen hatte.
    Oh, ja. Ich hatte so ausgesehen. Vor sehr langer Zeit.

    ***
    »Sunna, du wirst Asmundur Olafson heiraten.« Meine Pflegemutter verzog keine Miene und knetete weiter den Teig.
    Ich war so überrascht, dass ich Wasser aus der Kelle auf den glatten Tisch verschüttete. »Was?«
    »Dein Pabbi hat eine Vereinbarung mit Olaf Pallson getroffen«, fuhr sie fort. »Du heiratest kommenden laugardagur, also diesen Samstag.« Ich starrte sie an, aber sie wich meinem Blick aus.
    Ich wischte das verschüttete Wasser mit einem Lappen weg und füllte dann die restlichen Becher. Olaf Pallson züchteteSchafe, zwei Farmen weiter. Ich erinnerte mich vage, Asmundur Olafson ein-oder zweimal am Markttag gesehen zu haben.Er war groß und blond, aber an sein Gesicht hatte ich keine Erinnerung.
    Als ich nichts mehr sagte, hörte sie auf zu kneten und sah mich an. »Sunna, du bist sechzehn. Die meisten jungen Frauen in deinem Alter sind schon verheiratet und einige von ihnen bereits Mutter. Asmundur ist ein guter Bursche und wird die Farm seines Vaters erben, weil er der älteste Sohn ist.«
    »Ich will aber nicht heiraten«, sagte ich sinnloserweise, weil ich längst wusste, dass ich keine Wahl hatte.
    »Sunna.« Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab. Sie war noch nicht fünfunddreißig und schon im mittleren Alter.»Sunna, wir haben noch sechs andere Mäuler zu stopfen.« Ich nickte und nahm den leeren Eimer mit nach draußen zum Brunnen. Es war ihnen schwergefallen, mich überhaupt aufzunehmen, aber ich hatte mich als nützlich erwiesen, auf die Kleinen aufgepasst und Momer bei der Hausarbeit geholfen. Die letzten sechs Jahre hier waren eine Art Schonfristgewesen.
    Der nächste laugardagur war hell und klar und folgte auf drei Tage andauernden Frühlingsregen. Es war immer noch kalt, aber die Tage wurden allmählich wieder länger und in zwei Monaten würden wir wieder die Wärme des Frühsommersspüren.
    Meine Pflegeeltern gingen mit mir zur Kirche. Die Straßen waren zerfurcht und schlammig. Ich sah in eine der Pfützen und dachte: »Das bin ich, am Tag meiner Hochzeit.« Meine langen Zöpfe trug ich hochgesteckt. Meine Kleider waren sauber. Momer hatte mir einen Kranz aus Lorbeer geflochten.
    Ich schaute auf und sah Asmundur und seinen Vater vor der Kirche auf uns warten. So sieht er also aus, dachte ich und studierte sein breites Bauerngesicht.
    Das war 1567.
    Ich hatte so ausgesehen wie jetzt.
    Keine zwei Jahre später war mein junger Ehemann tot, gestorben an Pocken.
    ***
    Blinzelnd stand ich auf.
    »Lass uns einen Tee trinken«, sagte River und löschte die Lampe. »Wir räumen morgen hier auf.«
    Ohne die Lampe gab es keinen Geist mehr im Fenster. Wir gingen im Dunkeln durch den Gang auf die schmale Treppe zu. Ich berührte immer wieder meine Haare. Sie fühlten sich ohne die dunkle Farbe viel weicher an. Ich kam mir komisch vor. Ich wusste genau, dass ich jedes Mal zurückzucken würde, wenn ich mich im Spiegel sah. So wie jetzt hatte ich sehr lange nicht mehr ausgesehen.
    Draußen sah River zum Himmel auf und sagte: »Es ist später, als ich dachte.«
    Ich schaute hoch zu den Sternen, die halb von Wolken verborgen waren. Sternbilder zogen im Laufe der Nacht in einemBogen über uns hinweg. Ich erkannte, dass es noch nicht mitten in der Nacht war, aber später als die erste Nachtstunde. Zehn Uhr ungefähr. Durch die Wolken war das schwer zu sagen.
    »Ist es ungefähr zehn? «, fragte ich.
    »Ja.« River sah erfreut aus. »Du lernst sogar gegen deinen Willen.«
    Ich nickte.

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