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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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wissendes Lachen erinnern.
    Zwei lange Monate verbrachte ich dort und eines habe ich gelernt: Man weiß erst, was eine Nonne ist, wenn man diesedeutschen Nonnen des späten 19. Jahrhunderts erlebt hat.
    Diese Frauen putzten, scheuerten und schrubbten ohne Ende und waren total fanatisch in ihrem Putzfimmel. Hätten sieetwas zu sagen gehabt, hätte Deutschland den Zweiten Weltkrieg gewonnen. Wirklich ein sehr energischer Haufen, dieseNonnen.
    Während der Jul-Schrubberei unterschied sich dieses Kloster kein bisschen von Rivers Haus. Ja, es war genauso schlimm.
    Die Fenster wurden von innen und außen geputzt, Wände abgewaschen, Zimmer gesaugt, gefegt und gewischt.
    Jeder Schrank und jede Schublade wurden gelüftet, gesäubert und ordentlich wieder eingeräumt. Ein ständig wachsender Haufen Zeug wurde für einen Flohmarkt zur Seite gelegt, der im Frühling stattfinden sollte. Es war echt unfassbar. Davonabgesehen passierte nicht viel. Reyn ging mir aus dem Weg, obwohl ich ihn ein paarmal dabei erwischte, wie er mich ansah. Nell huschte mit ihrem üblichen zuckrigen Lächeln durchs Haus und ich sah sie und Reyn gelegentlich zusammen arbeiten. Sie machte einen sehr glücklichen Eindruck.
    Ich hatte keine Albträume, Visionen oder seltsamen Erkenntnisse mehr. Das Leben fühlte sich wieder recht normal an - zumindest so normal, wie es ging, wenn man bedachte, dass ich es in den letzten drei Monaten um hundertachtzig Grad gedreht hatte.
    Eines Abends, während dieser Putzaktion, hockte ich tatsächlich auf Händen und Knien in der Küche und scheuerte
    den Steinboden. Es waren wirklich Steine, keine Fliesen oder so. Und Steine sind von Natur aus dreckig. Es war also gegenihre Natur, dass ich versuchte, sie sauber zu bekommen. Leider wollte keiner meiner Argumentation folgen. Also rutschte ich auf den Knien herum.
    Ein begabter Schrubber mit jahrelanger Erfahrung im Steine scheuern hätte die Riesenküche vermutlich in etwa zwei Stunden sauber gehabt. Bei mir brach gerade die dritte Stunde an und ich hatte vor vierzig Minuten angefangen, vor mich hinzufluchen. Ich beherrsche das in fünf Sprachen, obwohl mir gelegentlich eine veraltete Ausdrucksweise oder Redewendung herausrutscht.
    Ich bemühte mich sehr, mich nicht daran zu erfreuen, wie sich der Schmutz der vergangenen Monate löste und die zartenFarben jedes einzelnen Steins zum Vorschein kamen, als ich das schmutzige Wasser mit einem Lappen aufwischte. »Blöder, dämlich harter, blöder, dämlicher Steinkram«, zischte ich vor mich hin. »Was haben die hier bloß gegen Linoleum? Da hätte man mal eben mit einem dämlichen Mopp drüberwischen können. Aber nein, das wäre ja viel zu einfach gewesen.« Während ich diese gepflegte Unterhaltung mit mir selbst führte, hörte ich, wie die Hintertür geöffnet und wieder geschlossen wurde. Ich war in letzter Zeit sehr misstrauisch und so hockte ich mich auf die Fersen und lauschte. Zwischen der Hintertür und der Küche war ein langer Abstellraum, in dem das Küchenzeug untergebracht war, das selten gebraucht wurde. Ich hörte, wie sich dort jemand den Schnee von den Schuhen abtrat, dann raschelten Wintersachen.
    Und es waren Stimmen zu hören. Eine männliche und eine weibliche. Wer?
    Langsam und lautlos stand ich auf und nahm ein großes Küchenmesser vom Magnethalter an der Wand. Ein Tran—chiermesser:fast dreißig Zentimeter lang und fies scharf. Es würde nichts nützen, wenn mir jemand mit Magie kam, aber ich fühlte mich besser damit. Ich hockte mich wieder hin, schob das Messer unter den Küchenschrank und lauschte. Ich schloss die Augen und ließ meinen Atem langsam entweichen. Er wurde immer langsamer und flacher. Mein Hörvermögen schien sich auszudehnen. »Du kannst!«, hörte ich eine Frauenstimme voller Leidenschaft sagen.
    »Nein«, sagte der Mann.
    »Du kannst!«, sagte die Frau wieder. Da wusste ich es, als wäre es ein Geruch, den die Luft mir zugetragen hatte. Es waren Nell und Reyn. Sie wollte etwas von ihm, wollte, dass er etwas tat; aber er weigerte sich mit sturer Kühle. Doch sein Entschluss geriet ins Wanken, er war unsicher. Das spürte sie und versuchte, ihren Vorteil zu nutzen.
    Ich lauschte mit schiefgehaltenem Kopf wie im Kino. Die beiden hatten nur Ohren füreinander. Das hier ging nur die beiden etwas an und keinen Dritten, wie zum Beispiel den Fußbodenscheuerer. Soweit ich es beurteilen konnte, flehte sie ihn nicht gerade an, mich

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