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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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Fahrer etwas zu, stachelten ihn an und zeigten ihm einen Vogel. In Incys Augen funkelte ein merkwürdiges Glitzern, das ich nicht kannte. Ich sah, wie sich der Kiefer des anderen Fahrers verkrampfte, sah, wie seine wei- ßen Knöchel das Lenkrad umklammerten. Bei seinem Freund neben ihm war die Empörung längst der nackten Angst gewichen - er krallte sich am Türgriff fest und stemmte sich so sehr gegen die Rückenlehne des Sitzes, als träte er mit aller Kraft auf eine imaginäre Bremse. Er versuchte, seinen Freund zur Vernunft zu bringen, aber der war so wütend auf Boz, dass er ihn ignorierte.
    Ich wollte nicht länger zusehen.
    Es geschah an der höchsten Stelle der Straße. Boz schoss um eine Kurve und schlitterte so weit, dass eines der Räder von der Straße abkam und eine Sekunde lang über die Klippe hing. Incy und die Mädchen kreischten in panischer Aufregung. Dann gab Boz wieder Vollgas, der Vorderradantrieb griff und sie rasten weiter.
    Der andere Fahrer hatte nicht so viel Glück. Er riskierte alles, um Boz einzuholen. Er kannte die Straße gut, offenbar war er hier schon einige Rennen gefahren - aber nicht regelmäßig, seit fünfzig Jahren in hundert verschiedenen Autos.
    Er schlitterte um dieselbe Kurve, sein Hinterrad kam von der Straße ab ... und das Auto rutschte rückwärts die Klippe hinunter. Ich sah die Todesangst in den Augen der Jungen, ihre verkrallten Hände, die weit aufgerissenen Münder, aus denendie Schreie kamen. Ihr Wagen überschlug sich immer wieder, knallte auf eine tiefere Serpentine der Straße. Bei der nächsten Drehung schlug der Motor auf einen Felsen auf, das Auto explodierte und der geplatzte Tank versprühte brennendes Benzin.
    Hoch oben hielt Boz an. Meine vier Freunde spähten über den Rand der Klippe und sahen zu. Die Mädchen hatten die Hände vor den Mund geschlagen. Boz und Incy sahen geschockt aus, zwangen sich aber zu einem nervösen Lachen.
    Sie hatten diese beiden Jungen getötet. Boz, Incy und die anderen hatten sie tatsächlich getötet - ermordet. Dagegen wirkte die Sache mit dem gelähmten Taxifahrer wie ein Schuljungenstreich. Selbst im Traum fühlte ich, wie mir schlecht wurde.
    Incy sah Boz an. »Wir müssen Nasty finden«, sagte er, und obwohl ich die Worte kaum hören konnte, waren sie dochglasklar. »Meinst du nicht auch? Sie sollte so was wie das hier nicht verpassen.«
    Der Gedanke, dass ich einmal die Nasty war, von der sie glaubten, dass sie daran Spaß gehabt hätte, war total abstoßend und widerlich.
    »Okay, Incy«, sagte Cicely. »Lass sie uns finden.«
    Boz nickte. Er schaute immer noch mit ernster Miene über die Klippe. Dann sah er plötzlich geradeaus, wie mir vorkam, direkt in meine Augen, als könnte er mich sehen. »Ja «, sagte er. »Es wird Zeit, dass wir sie finden.«
    Ich fuhr keuchend hoch und machte das Licht an. Ich war allein in meinem Zimmer. Ich war in West Lowing. Wenn das wieder eine Vision gewesen war, hatte sie mir zumindest gezeigt, dass sie immer noch nicht wussten, wo ich war. Aber ich hatte diese Hügel und die gewundene Straße wiedererkannt.
    Boz, Incy und die Mädchen waren in Kalifornien. Sie waren nach Amerika gekommen.

24
    Ich konnte Solis' kaum verhohlene Ungeduld spüren.
    Was es natürlich nur noch schlimmer machte.
    Ich versuchte es wieder. Den Atem ganz herauslassen. Den Kopf leerfegen, alle Gedanken daraus verbannen. Die perfekte Ruhe erreichen - was für mich genauso fremd war, als würde er verlangen, dass ich mir Flügel wachsen ließ und davonflog. Als ich mich bereit fühlte, schaute ich erneut in die große flache Schüssel mit dem Wasser. Einatmen, ausatmen.
    »Was ist Wasser?« Solis sprach so leise, dass ich es kaum hören konnte.
    Ich erinnerte mich an seine Worte und murmelte: »Wasser ist Leben und Tod, Licht und Dunkelheit, hart und weich. Wasser ist die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft. Es ist flüssig und fest und gasförmig. Es ist sanft wie Regen und schrecklich in seiner Kraft. Es ist allwissend; es verbirgt die tiefsten Geheimnisse.« Ich atmete ein und aus und versuchte mich so wenig wie möglich zu bewegen.
    »Wasser, zeig mir meine Wahrheit.«
    Ich wartete. Dies war mein dritter Versuch. Die Wahrsagerei mit Wasser sollte leichter sein als die anderen Methoden, aber es war trotzdem eine Kunst, die ich lernen musste. Und bisher hatte ich es jedes Mal verbockt.
    Ich wartete und beobachtete die reglose Oberfläche des Wassers. Das war

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