Entflammt
vom Boden des Kamins ab und rollteaus dem Feuer ins Zimmer.
Es war der Kopf meines Vaters, am Hals abgeschlagen, Mund und Augen noch geöffnet und blutig.
Das schrille Geräusch, das mir in den Ohren gellte, war mein eigener Schrei.
Im selben Augenblick gab die Tür nach. Das Holz splitterte, die Eisenbeschläge brachen heraus. Zwei Männer stürmten herein, groß und breit, in Kettenhemden, die Gesichter mit primitiven Streifen in schwarz, weiß und blau bemalt. Einer von ihnen brüllte und hob seine Streitaxt. Meine Mutter schrie ihnen grobe Worte entgegen, Worte, bei denen ich zusammenfuhr, die meinen Ohren wehtaten, Worte der Schwärze, der Macht und der Wut. Sie ließ ihre Hände in Richtung eines Mannes aufschnappen und plötzlich sprühten die Ringe des Kettenhemdes und viel Blut durch den Raum.
Der andere Mann stand da wie vom Donner gerührt und starrte seinen Gefährten an, der ein wenig herumtaumelte und benommen an seinem aus blutigem Fleisch bestehenden Körper heruntersah. Meine Mutter hatte ihn lebendig gehäutet, mit Magie, und er hatte keine Haut mehr, keine Haare, keine Kleidung. Nur runde, vorquellende Augen und einen mit Muskeln überzogenen Skelettschädel. Er fiel nach vorn aufs Gesicht und mein Bruder Sigmundur stieß einen Kampfschrei aus und sprang mit hoch erhobenem Schwert vor. Mit einem Schlag schlug er dem Mann den Kopf ab und trat ihn quer durch den Raum.
Ich war kurz davor, in Ohnmacht zu fallen. Ich löste mich von Eydis und Haakon und rannte hinter meine Mutter, verstecktemich hinter ihr und klammerte mich an ihrem Rock fest. Draußen auf dem Gang grölten die anderen Eindringlinge herum, zerschlugen Dinge und setzten unser Zuhause in Brand.
Der andere Mann brüllte auf, starrte meine Mutter an und hob sein schweres Langschwert.
***
Mit einem Keuchen fuhr ich zurück, schluckte krampfhaft und traf mit einem Fuß aus Versehen die Schüssel. Ich war wieder hier, das graue Licht des Winters fiel durchs Fenster. Hektisch sah ich mich um, sah das Gesicht von Solis, den Klassenraum, die kahlen Bäume draußen vor dem Fenster. Meine Brust fühlte sich an wie ausgehöhlt. Ich atmete hektisch ein und aus und kämpfte gegen den Tunnelblick, der einer Ohnmacht vorausgeht. Das verschüttete Wasser saugte sich ins Hosenbein meiner Jeans und ich krallte mir in die Augen, als könnte ich herausreißen, was sie gesehen hatten. »Nastasja, was ist los?«, rief Solis.
Auf Händen und Knien hockend übergab ich mich und traf dabei die Schüssel. Ich hörte mich selbst heulen wie aus weiterFerne. Solis legte mir eine kühle Hand auf, aber ich stieß sie weg und stand ungeschickt auf. Ich torkelte herum, denn Übelkeit und Horror setzten mir so zu, dass ich nicht geradeaus gehen konnte. Irgendwie schaffte ich es zur Tür, riss sie auf und fiel beinahe in den Gang. Ich rannte hinaus in den kalten Nachmittag. Keine Ahnung, wo meine Jacke war - ich wusste kaum, wo ich selbst war.
Am anderen Rand des Felds erstreckte sich eine dichte, hohe Mistelhecke, die das Feld vom Ziegengehege trennte. Ich stürmte darauf zu, lief hinten herum, wo mich niemand sah. Völlig außer Atem hämmerte mir das Herz in den Ohren wie eine Trommel. Meine Beine gaben unter mir nach und ich fiel auf dem kalten Boden auf die Knie. Ich zitterte.
Mir würde nie wieder warm werden. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich, die Bilder zu verdrängen, wie ich es schon so oft versucht hatte. Sie waren in meine Erinnerung eingebrannt, nicht nur die Bilder, sondern auch das scharfe Knistern des Feuers in meinen Ohren, der kupferne Geschmack des Blutes, der grauenhafte Gestank von brennenden Wolldecken, das Brüllen der Männer, das Schreien der Dienstboten. Die toten Augen meines Vaters. Ein Mann, der nur noch aus blutigem Fleisch bestand.
Ich drückte mich dicht an die Hecke, meine Finger krallten sich in den Boden und in mir wütete ein so intensiver, brennenderSchmerz, dass ich das Gefühl hatte, wahnsinnig zu werden. Meine Kehle schnürte sich zu, meine Nase fing an zu laufen, meine Augen brannten und plötzlich heulte ich los, Tränen strömten mir übers Gesicht und ich weinte jetzt, wie ich es damals nicht gekonnt hatte. Ich hatte das Gefühl, nie wieder damit aufhören zu können.
Ich weiß nicht, wie lange ich dort lag. Irgendwann drehte ich mich auf die Seite und rollte mich zusammen. Mein Gesicht war nass und kalt, wo der Wind meine Tränen
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