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Entflammt

Entflammt

Titel: Entflammt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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verborgen war. Solange es kein anderer wusste, würde keiner hinter mir her sein, würde niemand versuchen, mir mit Gewalt meine Kraft zu rauben. Es war mein Geheimnis.

25
    Irgendwie gelang es mir, mit dem täglichen Trott meines neuen Lebens weiterzumachen. Meine Pflichten gaben meinem Dasein einen Sinn und meinem Tag eine Struktur - ich wusste zu jeder Zeit, wo ich zu sein und was ich zu tun hatte. Ich konnte all diese Aufgaben ohne großes Nachdenken erledigen: die Blätter von der Veranda fegen, den Ofen sauber machen, Feuerholz hereinholen, Winterweizen im Küchengarten aussäen. Ich bewegte mich mechanisch und alle waren besonders nett zu mir - bis auf Nell und Reyn, die mir aus dem Weg gingen.
    »Meine Mutter ist dreimal verkauft worden, bevor mein Vater sie gekauft hat«, erzählte Brynne eines Tages, während wir draußen Teppiche ausklopften. Wir hatten uns Tücher vor den Mund gebunden, weil der feine Staub überall in der Luft hing. Deshalb klang ihre Stimme gedämpft, aber ich konnte sie trotzdem gut verstehen. »Sie haben sie von ihren anderen Kindern getrennt, die nicht unsterblich waren. Manche hat sie nie wiedergefunden und eines erst, als es schon sehr alt war und bereits im Sterben lag.«
    Ich verdaute die Geschichte.
    »Aber jetzt ist sie ... zufrieden«, fuhr Brynne fort und schaute in die Ferne. »Immer noch verliebt in meinen Dad.
    Sie genießt ihr Leben und liebt uns über alles. Sie hat wirklich Freude daran, unsterblich zu sein.«
    Alle hatten Geschichten zu erzählen, grausige und wunderschöne. Manchmal kramten sie ihre Geschichten hervor, erzählten sie und packten sie wieder weg. Es waren alles Ereignisse, die schon der Vergangenheit angehörten.
    Während mein Gehirn damit beschäftigt war, all die Eindrücke zu verarbeiten, schlichen sich ein paar Stolpersteine in mein Leben. Ich vergaß, die nassen Steppdecken von der Waschmaschine in den Trockner zu tun, und sie bekamen Stockflecke. Dreimal musste ich die verdammten Dinger noch waschen, weil das teure, biologisch abbaubare Waschmittel, das River kaufte, vollkommen nutzlos war. Ich meine, die Erfindung des Bleichmittels war ein großer Schritt für die Menschheit gewesen, oder etwa nicht? Ehrlich gesagt war es eine Erleichterung, sich über so etwas aufregen zu können, statt im eigenen Elend zu versinken.
    Am nächsten Tag stand ich in einer der Vorratskammern, staubte die Regale ab und versuchte mich darauf zu konzentrieren, mit meinen Gedanken im Jetzt zu sein, da sich ja inzwischen herausgestellt hatte, dass es ein verdammter Albtraum war, sich in der Vergangenheit herumzutreiben. Durch einen Spalt in der Tür konnte ich Reyn und Nell sehen, die damit beschäftigt waren, den schlichten Kronleuchter über dem Esstisch zu putzen. Nell sagte etwas und Reyns Mundwinkel verzogen sich zur Andeutung eines Lächelns. Anscheinend waren die Spannungen zwischen ihnen vergeben und vergessen. Das brachte mein Herz zum Brennen.
    Zum Abendessen gab es schon den dritten Tag hintereinan— der Rüben.
    Das Teufelshuhn hackte mir wieder in die Hand, dass es blutete. Ich hätte es beinahe erwürgt.

    Solis fragte mich freundlich, ob ich die Wahrsagerei noch einmal probieren wollte. Offenbar war er ein Anhänger der »Man muss wieder in den Sattel steigen«-Theorie. Nun, als Anhängerin der »Nicht ums Verrecken«-Theorie ergriff ich sofort die Flucht. Er trug mir zusätzliche Pflichten auf. Nach dem Zwischenfall mit dem Küchenboden ging Nell mir aus dem Weg. Sie machte das allerdings so geschickt, dass es wohl kein anderer mitbekam. Doch sie ließ mich nicht in Ruhe: Mal waren meine Jackentaschen voller Dreck, mal meine Stiefel voll Wasser oder mein Essen total versalzen. Ich schaffte es nie, sie auf frischer Tat zu ertappen -
    wahrscheinlich, weil sie Magie einsetzte. Aber ich wusste, dass sie es war - das verrieten mir ihr dezentes, herablassendesGrinsen und die wissenden Blicke. Sie war keinen Deut besser als das hackende Huhn. Und am liebsten hätte ich beide erwürgt.
    Aber dank Rivers »Gute Nacht«-Tee schlief ich wenigstens tief und traumlos.
    Eines Nachts lag ich schon im Tiefschlaf, als jemand meine Schulter packte und kräftig daran rüttelte. Ich war soforthellwach, fuhr hoch und hatte schon den Mund zum Schrei aufgerissen - als Reyn sagte: »Still! Weck die anderen nichtauf!«
    Ich packte mit beiden Händen seine Hand und versuchte, ihn zu beißen.
    »Lass das!«, zischte er und es klang eher verärgert als

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