Entflammte Nacht
kleinen Hauch seiner Fassung. »Jetzt hören Sie mir einmal genau zu, Beta! Ich bin ein Schwärmer, deshalb kann ich meine eigenen Entscheidungen treffen: wen ich liebe, wen ich beobachte, und am Allerwichtigsten, was ich trage!«
»Also, Lord Akeldama, was wird Lady Maccons Kind sein?«
»Nein. Zuerst werden Sie mir das hier erklären.« Der Vampir deutete auf Biffy. »Ich war gezwungen auszuschwärmen, weil mir mein kostbarstes kleines Drohnen-Schätzchen skrupellos gestohlen wurde – von meinesgleichen, wie sich herausstellte –, und bei meiner Rückkehr muss ich feststellen, dass er mir nun von ihresgleichen gestohlen wurde. Ich glaube, selbst Lord Maccon würde eingestehen, dass ich eine Erklärung verdient habe.«
Professor Lyall stimmte ihm darin vollkommen zu, deshalb erzählte er dem Vampir die ganze Geschichte, und zwar in allen Einzelheiten.
»Also hieß es entweder Tod oder der Fluch des Werwolfs?«
Professor Lyall nickte. »Es war ergreifend, Mylord. Keine Metamorphose, bei der ich je Zeuge war, hat so lange gedauert oder wurde mit so viel Sanftheit durchgeführt. Dass Lord Maccon bei dem, was er zu tun gezwungen war, den Jungen vor Blutdurst nicht in Stücke riss, war außergewöhnlich. Es gibt nicht viele Werwölfe, die so viel Selbstbeherrschung haben. Biffy hatte großes Glück.«
»Glück?« Lord Akeldama spuckte das Wort regelrecht aus und sprang auf. »Glück! Dazu verflucht zu sein, vom Mond in eine geifernde Bestie verwandelt zu werden? Es wäre besser gewesen, Sie hätten ihn sterben lassen! Meinen armen Jungen!« Lord Akeldama war kein großer Mann, gewiss nicht, doch er bewegte sich mit solcher Geschwindigkeit, dass er schneller um Professor Lyalls Schreibtisch herum war und dem Werwolf die Hände um die Kehle gelegt hatte, als Lyalls Blick ihm folgen konnte.
Da war die Wut, mit der Professor Lyall gerechnet hatte, und mit ihr ein Ausmaß an Schmerz, das er bei einem Vampir nie erwartet hätte. Vielleicht hatte er ihn ein wenig stärker gereizt, als nötig gewesen wäre. Reglos blieb Lyall unter dem Würgegriff sitzen. Vermutlich konnte ein Vampir einem Werwolf tatsächlich den Kopf abreißen, aber Lord Akeldama war nicht der Typ Mann, der so etwas tat, nicht einmal während eines Wutausbruchs. Er war viel zu beherrscht aufgrund von Alter und Etikette, als dass er sich zu mehr als nur einer dramatischen Geste hinreißen ließ.
»Meister, hören Sie auf! Bitte! Es war nicht ihre Schuld!«
Biffy richtete sich schwach auf dem Sofa auf und starrte voller Entsetzen auf den Anblick, der sich ihm bot.
Sofort ließ Lord Akeldama von Professor Lyall ab und eilte zu dem jungen Mann, um an seiner Seite niederzuknien.
In einem Durcheinander aus Worten und Schuldgefühlen sprudelte es aus Biffy heraus: »Ich hätte mich nicht fangen lassen dürfen. Das war unvorsichtig von mir. Ich hatte nicht erwartet, dass der Wesir so extreme Maßnahmen ergreifen würde. Ich habe das Spiel nicht so gespielt, wie Sie es mir beigebracht haben. Ich hätte nicht gedacht, dass er mich dazu benutzen würde, Sie zu treffen.«
»Ach, meine kleine Kirschblüte, wir alle haben blind gespielt! Das hier ist nicht deine Schuld!«
»Halten Sie mich jetzt wirklich für verflucht und abstoßend?« Biffy klang ziemlich geknickt.
Sich gegen seine Instinkte stemmend zog der Vampir den frischgebackenen Werwolf an sich – ein Raubtier, das einem anderen Trost spendete, so unnatürlich wie eine Schlange, die versucht, eine Katze zu trösten.
Biffy schmiegte das dunkle Haupt an Lord Akeldamas Schulter. Die perfekten Lippen fest zusammengepresst blickte der Vampir zur Decke empor und blinzelte.
Ach herrje, dachte Professor Lyall, er hat ihn wirklich geliebt. Der Beta kniff sich selbst mit zwei Fingern in die Augenwinkel, als könnte er so die Tränen der beiden anderen Männer zurückhalten.
Liebe war von allen exzentrischen Eigenheiten die beschämendste für einen Übernatürlichen und diejenige, die man am besten gar nicht erwähnte. Doch Lord Akeldamas Gesicht war trotz all seiner eisigen Schönheit von einem aufrichtigen Gefühl des Verlustes gezeichnet, eine Art in Marmor gemeißelte Seelenqual.
Professor Lyall war ein Unsterblicher. Er wusste, wie es sich anfühlte, einen geliebten Menschen zu verlieren. Zwar konnte er das Büro nicht verlassen, weil so viele wichtige BUR -Dokumente überall herumlagen, doch er wandte sich ab und beschäftigte sich übertrieben geschäftig mit Papierkram, um den beiden Männern
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