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Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition)

Titel: Entfliehen kannst du nie: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karim Miské
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ihm loszureißen. Danach hatte Dr. Germain ihm geraten, sie nicht mehr zu besuchen. »Für Ihren eigenen Seelenzustand ist so etwas alles andere als zuträglich, Ahmed. Sie können ihr nicht helfen. Latifa ist im Augenblick unerreichbar. In ihren Augen sind Sie nichts als eine Remanenz, das Restbild ihres Unglücks. Es ist ganz logisch, dass sie versucht, Sie loszuwerden.« Der Zwischenfall wurde in die Akten des Krankenhauses eingetragen, aber Ahmed hält es für besser, Sam seinen eigenen Glauben zu lassen. Er schweigt und überlässt es dem alten Frisör, die Stille zu füllen.
    »Weißt du, Ahmed, ich habe dich aufwachsen sehen, und deswegen kann ich mit dir sprechen wie ein Vater. Nichts kann eine Mutter ersetzen. Auch wenn es manchmal schwer ist, sollte man in Kontakt bleiben. Gott befiehlt uns, Vater und Mutter zu ehren. Wenn du allerdings im Moment nicht dazu in der Lage bist … Aber eines Tages wirst du wieder hingehen, nicht wahr?«
    »…«
    »Die Frau, die umgebracht wurde, war deine Nachbarin, oder?«
    Jetzt geht es also los.
    »Ja, sie wohnte über mir.«
    »Hast du mir nicht einmal von ihr erzählt?«
    »Wer? Ich?«
    Ahmed ist völlig perplex. Noch nie hat er mit Sam über andere Dinge als die Länge seiner Haare und – ganz selten – über seine Mutter geredet. Aber er beginnt, die Taktik des Frisörs zu begreifen.
    »Natürlich du. Aber vielleicht erinnerst du dich wegen deiner Medikamente nicht mehr. Ich hingegen vergesse nie etwas. Sie wohnte also gleich über dir? Schreckliche Geschichte. Wer kommt wohl für eine so brutale Tat infrage?«
    »Tja …«
    Ahmed spürt den inquisitorischen Blick des Frisörs im Nacken. Die Situation wird ihm allmählich ziemlich unangenehm. Aber das Unbehagen, das er empfindet, ist notwendig, denn auf diese Weise glaubt Sam, ihn in der Hand zu haben.
    »Waren die Bullen bei dir? Haben sie mit dir gesprochen?«
    »Klar. Sie haben mir Fragen gestellt.«
    Sam lacht wie eine knarrende Tür.
    »Du wirst doch nicht etwa verdächtigt?«
    »Nein. Wieso auch? Glaubst du etwa …«
    Ahmed fühlt sich immer unwohler. Schweißtröpfchen bilden sich in seinem Nacken und unter seinen Achseln. Der Alte fährt unbarmherzig fort.
    »Du hast hoffentlich keine Dummheit gemacht, oder? Und du nimmst deine Medikamente regelmäßig, nicht wahr? Hast du manchmal Erinnerungslücken? Oder vielleicht Bewusstseinsstörungen?«
    Das ist wirklich ein Frontalangriff. Ahmed schwitzt jetzt richtig.
    »Klar nehme ich meine Tabletten. Und ich glaube auch, dass ich mich an alles erinnere. Eigentlich lese ich ja die ganze Zeit. Ansonsten trinke ich Kaffee oder Tee, und manchmal laufe ich morgens am Kanal entlang.«
    Als wäre es das Normalste von der Welt, wischt Sam seinem Kunden den Schweiß ab, ehe er den Rasierapparat ansetzt.
    »Manchmal trinkst du auch Alkohol. Ich sehe dich oft, wenn du vom Supermarkt zurückkommst. Du musst vorsichtig sein wegen der Nebenwirkungen. Was die Frau angeht … ich weiß nicht, ob sie wirklich ein so unbeschriebenes Blatt war. Vielleicht war sie in komische Sachen verwickelt. Sie war doch Flugbegleiterin, oder? Vielleicht hat sie Drogen geschmuggelt, wer weiß? Man wird ja schließlich nicht einfach so ohne Grund umgebracht, oder was meinst du? Oder sie hat einen Mann so angeturnt, dass er schließlich daran zerbrach. Du warst in sie verliebt, oder?«
    Ahmed schluckt. Noch nie im Leben hat er sich so elend gefühlt wie bei diesem perversen Frisör, der mit dem Rasiermesser in der Hand um ihn herumwuselt und ihn drängt, ein ekelhaftes Verbrechen zu gestehen.
    »Also, ich und die Frauen …«
    Sam schärft sein Rasiermesser und macht sich an Ahmeds Koteletten.
    »Frauen? Aber alle lieben die Frauen, mein Sohn. Ich persönlich beachte zwar die Gebote, aber ich kann mich trotzdem nicht zurückhalten, sie anzuschauen. Gott gibt mir die Kraft, ihnen zu widerstehen. Außerdem wird man mit dem Alter ruhiger. Aber die, die war wirklich hübsch. Hat sie sich überhaupt für Männer interessiert? Heutzutage ist ja alles möglich.«
    »Laura liebte Orchideen. Mehr weiß ich eigentlich nicht über sie. Sie liebte Orchideen. Ich glaube, deshalb war sie mir sympathisch. Denn die Sache mit den Frauen, also ganz im Vertrauen, mit meinen Medikamenten … So etwas kommt mir fast niemals in den Sinn.«
    Ahmeds Stimme versagt. Er beschließt zu gehen. Er weiß jetzt genug, und es ist ihm wichtig, dass Sam seine Kopflosigkeit als mögliches Geständnis wertet. Er betrachtet sich im

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