Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
das Geschick, aber hier steht es nun in gut verständlichem Englisch. Alan hat es später noch oft gesungen, und das Lied wurde so allgemein bekannt und beliebt, daß ich es häufig zu hören bekam, und man hat mir mehr als einmal den Sinn der Worte erklärt. Hier ist es:
Hört das Lied von Alans Degen,
der Stahl wurde ausgeglüht,
der Schmied hat ihn gehämmert,
und jetzt funkelt der Degen in Alan Brecks Hand.
Viele Augen waren es,
die schnell erspähten, was ihnen drohte.
Und viele Hände hatten sie,
aber nur eine Hand schwang den Degen.
Das falbe Wild flüchtete über die Hügel.
Ungezählte Tiere waren es, und nur ein Berg.
Das falbe Wild ist verschwunden,
aber der Berg ist geblieben.
Kommt herab von den Heidebergen,
kommt zu mir von den Inseln im Meer ...
Oh, Ihr scharfblickenden Adler,
hier wartet Eure Mahlzeit.
Dieses Lied, zu dem Alan in der Stunde unseres Sieges die Worte und die Melodie schuf, läßt mir, der ich doch in dem Gemetzel an seiner Seite war, keine Gerechtigkeit widerfahren. Mr. Shuan und fünf andere waren tot oder nicht mehr kampffähig. Aber zwei von ihnen waren von mir getötet worden, die beiden, die durch das Oberlicht hatten eindringen wollen; und einer von ihnen, bestimmt nicht der ungefährlichste, erhielt von mir seine Verwundung, so daß ich, alles in allem, sowohl an Toten wie an Verletzten meinen redlichen Anteil beanspruchen durfte. Eigentlich hätte mich Alan also in seinem Liede erwähnen müssen. Aber Dichter haben wohl in erster Linie das Versmaß zu berücksichtigen, und in der nüchternen Prosa hat Alan meine Verdienste stets gewürdigt.
Es kam mir im Augenblick auch gar nicht in den Sinn, daß er mich benachteiligt haben könnte; denn erstens verstand ich nicht ein Wort von der gälischen Sprache, und dann war ich, als der Kampf überstanden war, infolge der starken Spannung durch die lange Wartezeit und von der Anstrengung während des Getümmels, mehr aber noch von dem Grauen über meine eigenen Taten so erschöpft, daß ich nur noch zu einem Sessel taumeln konnte, erleichtert, nun wenigstens sitzen zu dürfen. Meine Brust war wie zugeschnürt. Ich bekam kaum Luft, und der Gedanke an die beiden Männer, die ich erschossen hatte, lag auf mir wie ein Alp. Unwillkürlich, ehe ich mich dessen versah, begann ich zu weinen und zu schluchzen wie ein kleines Kind.
Alan streichelte meine Schulter. Er rühmte, ich sei ein braver Junge und müsse jetzt vor allen Dingen tüchtig ausschlafen.
»Ich übernehme als erster die Wache«, sagte er. »Du hast mir wacker geholfen, von Anfang an bis zum Ende; nicht für ganz Appin, nicht einmal für Breadalbane möchte ich dich je verlieren.«
So richtete ich mir auf dem Fußboden ein Lager her, und mit der Pistole in der Hand, einen Degen quer über der Brust, schlief ich eine Runde von drei Stunden, wie es die Wanduhr des Kapitäns anzeigte.
Dann weckte mich Alan, und ich übernahm während der folgenden drei Stunden die Wache. Ehe die Zeit um war, wurde es Tag; das Wetter war ruhig. Sanft wogte die See auf und nieder. Regen prasselte auf das Dach.
Während ich Wache hielt, hatte sich auf dem Segler nichts gerührt, und am Schlagen des Ruders merkte ich, daß nicht einmal ein Matrose das Steuer bediente. Wie ich dann später erfuhr, waren so viele von ihnen verwundet oder tot und die anderen so übler Laune, daß Mr. Riach und der Kapitän, genau wie Alan und ich, abwechselnd wachen mußten, damit die Brigg nicht strandete, ohne daß jemand die Gefahr überhaupt bemerkt hätte.
Es konnte als ein wahres Glück bezeichnet werden, daß es über Nacht so ruhig geworden war; denn sobald der Regen einsetzte, hatte sich der Wind gelegt. Dennoch meinte ich, daß wir, nach dem Geschrei der Möwen zu urteilen, die das Schiff auf der Suche nach Nahrung umkreisten, ziemlich nahe an die Küste oder an eine der Inseln der Hebridengruppe abgetrieben sein mußten. Als ich dann schließlich aus der Kajüte hinausspähte, erblickte ich die riesigen steinigen Felsengipfel von Skye und sah achtern die seltsam geformte Insel Rum.
XI. Der Kapitän gibt klein bei
Gegen sechs Uhr morgens setzten Alan und ich uns zum Frühstück nieder. Der Fußboden war mit Glasscherben besät und in widerlicher Weise mit geronnenem Blut besudelt, ein Anblick, der mir den Appetit nahm. In jeder anderen Beziehung jedoch befanden wir uns nicht nur in einer günstigen, sondern sogar in einer vergnüglichen Lage. Da wir die Offiziere aus ihrem angestammten
Weitere Kostenlose Bücher