Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)
Reich vertrieben hatten und über alle auf dem Schiff befindlichen alkoholischen Getränke – sowohl Wein wie auch Branntwein – und über alle schmackhafteren Nahrungsmittel, das Gepökelte und den besseren Zwieback, verfügten, hatten wir guten Grund, bester Laune zu sein. Das Lustigste daran schien uns, daß die beiden durstigsten Kehlen Schottlands – Mr. Shuan war ja nicht mehr am Leben – im vorderen Teil des Schiffes saßen und dazu verurteilt waren, klares Wasser zu trinken.
»Verlaß dich drauf«, sagte Alan, »es wird nicht lange dauern, und wir werden mehr von ihnen hören. Du kannst ihnen die Kampfeslust nehmen, aber nie im Leben das Verlangen nach der Schnapsflasche.«
Wir kamen prächtig miteinander aus. Alan war beinahe zärtlich zu mir; so zog er plötzlich ein Messer aus der Tasche und schnitt einen der silbernen Knöpfe von seinem Rock ab.
Während er ihn mir gab, sagte er: »Ich habe sie von Duncan Stuart, meinem Vater, geerbt. Den hier schenke ich dir zum Andenken an den gestrigen Abend und an unseren gemeinsamen Kampf. Wo immer du auch hinkommen und Alan Brecks Freunden diesen Knopf zeigen wirst, werden sie dich mit offenen Armen aufnehmen.«
Er sagte das mit einer Stimme, als sei er Karl der Große und hätte ganze Armeen zu seiner Verfügung. Ja, ich muß gestehen, obgleich ich seine Tapferkeit bewunderte, geriet ich doch sehr in Versuchung, seine Eitelkeit zu belächeln. Zum Glück gelang es mir, diese Anwandlungen zu verbergen, denn bei dem Gedanken an den Streit, den das hätte auslösen können, wird mir jetzt noch angst und bange.
Sobald wir unsere Mahlzeit beendet hatten, begann Alan in dem Schrank des Kapitäns zu kramen, bis er eine Kleiderbürste gefunden hatte. Dann zog er den Rock aus, betrachtete ihn eingehend und machte sich daran, ihn auszubürsten. Er tat das so geschickt und so sorgfältig, wie ich es bisher nur bei einer Frau für möglich gehalten hatte. Gewiß, er hatte nur diesen einen Anzug, der, wie er sagte, Eigentum eines Königs sei und deshalb besonders pfleglich behandelt werden müsse.
Und als ich dann sah, wie behutsam er die Fäden auszupfte, mit denen der Knopf angenäht gewesen war, wurde mir sein Geschenk noch lieber und wertvoller.
Er war noch mit dem Säubern seines Rockes beschäftigt, als uns Mr. Riach vom Deck her anrief und um eine Unterredung bat.
Ich kletterte durch das zerbrochene Oberlicht aufs Dach und setzte mich, mit der Pistole in der Hand, auf den Rand der Luke. Mit keckem Gesichtsausdruck, obwohl ich vor den Glassplittern große Angst hatte, fragte ich den Steuermann nach seinem Begehr.
Daraufhin kam er dichter an die Kajütenwand heran und stellte sich so auf eine Taurolle, daß er mit dem Kinn bis an den Rand des Daches heranreichte. Eine Weile blickten wir uns beide stumm an. Da ich vermutete, Mr. Riach habe sich im Kampf nicht sehr hervorgetan, wunderte ich mich nicht, daß er nur einen Kratzer, der von einem Degenhieb herrühren mochte, auf seiner Wange aufwies. Aber da er die ganze Nacht auf den Beinen gewesen war, um die Wache zu übernehmen oder Verwundete zu versorgen, sah er jetzt todmüde und sehr niedergeschlagen aus.
»Das ist eine üble Geschichte«, sagte er endlich kopfschüttelnd.
»Es ist nicht unsere Schuld«, antwortete ich.
»Der Kapitän läßt sagen, er möchte mit deinem Freund sprechen, vielleicht durch das Fenster«, waren seine nächsten Worte.
»Wie können wir wissen, was für einen neuen Verrat er jetzt im Schilde führt«, rief ich zurück.
»Er meint es ehrlich, David«, antwortete Mr. Riach, »und wenn wir auch wieder anfangen wollten, ich sage dir im Vertrauen, die Matrosen machen nicht mehr mit.«
»Ist das wahr?« fragte ich.
»Ich kann dir noch mehr sagen, nicht nur die Matrosen, auch ich weigere mich mitzutun. Ich habe Furcht, Davie.« Dabei lächelte er mir zu.
»Wir wollen den da nur loswerden«, fuhr er fort.
Ich besprach die Sache mit Alan. Die Unterredung mit Hoseason wurde zugebilligt und die Vereinbarung beiderseits durch Ehrenwort bekräftigt. Aber Mr. Riach hatte noch etwas auf dem Herzen. Er bat mich jetzt so flehentlich um einen Schluck Schnaps und berief sich dabei auf das mir früher bewiesene Wohlwollen, daß ich ihm schließlich einen Becher mit einem Quart hinunterreichte. Er trank einigemal und nahm den Rest mit, vermutlich, um ihn mit dem Kapitän zu teilen.
Kurze Zeit darauf kam Hoseason, wie verabredet, an eines der Kajütenfenster. Er stand im Regen da, den Arm in
Weitere Kostenlose Bücher