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Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition)

Titel: Entführt: Die Abenteuer des David Balfour I (Spannend erzählt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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von sich geschleudert und wiederholte immer wieder: »Nein, nein, nein, ich kann nicht, ich kann nicht!«
    Als ich das hörte, ließ mein ganzer angestauter Zorn plötzlich nach. Mir war schrecklich elend zumute. Ich war traurig, wie ausgeleert und über mich selber fassungslos. Ich hätte eine Welt darum gegeben, meine Worte von eben ungesagt zu machen; aber wer vermag ein gesprochenes Wort zurückzunehmen? Ich entsann mich all der Güte Alans mir gegenüber in der vergangenen Zeit. Ich gedachte seiner Tapferkeit, mit der er mir geholfen, mich ermuntert und in schlimmen Lagen meine Launen ertragen hatte. Aber dann dachte ich an meine beleidigenden Äußerungen, und ich wußte, daß ich mit der Freundschaft dieses beherzten Mannes nicht mehr rechnen konnte. Gleichzeitig verschlimmerte sich mein übles Befinden, und die Stiche in meiner Seite wurden messerscharf. Ich glaubte auf der Stelle in Ohnmacht sinken zu müssen.
    Da kam mir ein Gedanke. Keine Entschuldigung konnte das, was ich gesagt hatte, auslöschen, aber wo eine Entschuldigung vergeblich gewesen wäre, konnte ich Alan mit einem Notschrei vielleicht zurückgewinnen. Ich unterdrückte meinen Stolz und bat: »Alan, wenn Ihr mir nicht helft, werde ich hier auf der Stelle sterben müssen.«
    Er schrak heftig zusammen und sah mich an.
    »Es ist die Wahrheit«, sagte ich, »ich bin am Ende. Bringt mich irgendwo in ein Haus, da wird mir das Sterben leichter werden.«
    Ich brauchte mich nicht zu verstellen, ob ich wollte oder nicht, Tränen erstickten meine Stimme so, daß es einen Stein hätte erweichen müssen. »Kannst du gehen?« fragte Alan.
    »Nein«, sagte ich, »nicht ohne Hilfe, aber vielleicht, wenn Ihr mich stützt. Schon seit einer Stunde versagen mir die Füße immer wieder den Dienst, und ich habe so arges Seitenstechen, als käme es von glühendem Eisen. Ich kann gar nicht durchatmen. Wenn ich sterbe, seid Ihr mir nicht mehr böse, nicht wahr, Alan? Im Grunde meines Herzens war ich Euch immer zugetan, auch als ich so wütend auf Euch war.«
    »Still, still, schweig«, rief Alan, »sage das nicht, David, du weißt ...« Ein Aufschluchzen schloß ihm den Mund. »Laß mich den Arm um dich legen«, fuhr er fort. »Ja, so wird es gehen. Stütze dich fest auf mich. Gott mag wissen, wo hier ein Haus sein soll! Dabei sind wir nicht weit von Balquidder entfernt; dort müßte es genug Häuser geben und auch gute Freunde. Geht es so besser, David?«
    »Ja, ja«, murmelte ich, »es wird gehen.«
    Und dabei umklammerte ich seinen Arm.
    Alan war immer noch dem Weinen nahe.
    »David«, sagte er, »ich bin kein richtiger Mann; mir fehlen Verstand und Güte. Ich hatte vergessen, daß du noch fast ein Kind bist, und ich habe nicht gemerkt, daß du dem Tode nahe warst. David, du mußt versuchen, mir zu verzeihen.«
    »Ach, Alan, laß uns nicht davon reden», bat ich, »keiner von uns beiden hat dem anderen etwas vorzuwerfen. Darauf kommt es hinaus. Wir müssen uns gegenseitig ertragen und vergeben und vergessen. Ach, die Stiche in der Seite tun so weh. Ist denn noch immer kein Haus zu sehen?«
    »Ich werde schon ein Unterkommen für dich finden, Davie«, sagte Alan mit zuversichtlicher Stimme. »Wir gehen hier am Bach entlang, dann kommen wir sicher bald zu Häusern. Mein armer Junge, soll ich dich nicht lieber auf dem Rücken tragen?«
    »Oh, Alan«, widersprach ich, »wo ich gut zwölf Zoll größer bin als Ihr.«
    »Nie im Leben«, rief Alan empört, »vielleicht ein oder zwei Zoll. Ich will ja nicht behaupten, daß ich ein Riese bin, und ich meine«, fügte er schon halb lachend hinzu, »wenn ich es mir recht überlege, dann stimmt das, was du eben gesagt hast ja, zwölf Zoll oder einen Fuß, das kann schon stimmen, vielleicht ist es sogar etwas mehr.«
    Es war rührend und komisch zugleich, wie Alan seine Worte zurücknahm, um ja einen neuen Streit zu vermeiden. Wären die Seitenstiche nicht so quälend gewesen, ich hätte laut lachen mögen, aber mein Lachen wäre gewiß in Weinen umgeschlagen.
    »Alan«, rief ich, »wie ist es möglich, daß Ihr so lieb zu mir seid? Wie könnt Ihr einem so undankbaren Burschen so liebevoll beistehen?«
    »Das weiß ich wirklich nicht«, antwortete er, »denn das, was ich an dir am liebsten hatte, war die Tatsache, daß du nie Händel suchtest. Aber jetzt habe ich dich noch viel lieber.«

XXV. In Balquidder
    Alan pochte an die Tür des ersten Hauses, zu dem wir kamen, was hier, in dem Hochlandgebiet von Balquidder, nicht

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