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Entfuehrt

Entfuehrt

Titel: Entfuehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Tyler
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Blutergüsse verblassten und wie die Maschinen und Schläuche nach und nach entfernt wurden. Er sah die Fortschritte, die sie machte. Dazu gehörte auch der tiefe, ruhige Schlaf, den sie schlief.
    Er sah, wie sie manchmal die Hand nach etwas ausstreckte. Wie sich ihre Faust schloss, als wolle sie etwas ergreifen, was nicht dort war, und er hatte zugleich seine eigene Faust geballt und sich eingeredet, dass das alles so verdammt lächerlich war. Und dann war er wieder zu einem Einsatz gerufen worden und hatte den letzten Monat in den Bergen Afghanistans verbracht, wo er Informationen für den Geheimdienst sammelte und, als er das Land verlassen wollte, angeschossen worden war. In diesen Tagen schien das für ihn der normale Ablauf zu sein.
    Er war erst gestern spät in der Nacht zurückgekommen und war genäht worden. Danach hatte er darüber nachgedacht, etwas herumzutelefonieren und ein paar Details über Isabelle zusammenzutragen. Er hatte schon geahnt, dass der Alltag sie wieder eingeholt hatte.
    Noch vor seinem Aufbruch hatte er nämlich entdeckt, dass sie verlobt war.
    Aber jetzt saß sie ihm gegenüber. Ihr dunkles, langes Haar trug sie offen. Sie sah so schön und unbekümmert aus, als hätte sie erst kürzlich die beste Entscheidung ihres Lebens getroffen. Und sie trug keinen Ring mehr an der linken Hand.
    Er hatte sich noch nie in seinem Leben vor irgendwem oder irgendwas gefürchtet. Aber diese Frau traf ihn tief in seinem Herzen, und das auf eine Art und Weise, auf die er nicht vorbereitet war.
    »Was hast du gegen Ärzte?«, fragte sie.
    »Sie stellen viele Fragen.«
    Sie stand auf und warf ihren leeren Kaffeebecher in den Papierkorb. »Warum denkst du nicht einfach drüber nach?«
    Er wünschte, sein Pieper ginge los, sein Telefon würde klingeln oder ein kleiner Krieg würde ausbrechen. Irgendwas, das ihn vor dieser Frau bewahrte. Und zugleich fragte er sich, warum er plötzlich vor einer Frau bewahrt werden wollte.
    Er konnte das nicht tun. Nicht mit ihr.
    Sie behauptet, sich an nichts mehr zu erinnern.
    Ein merkwürdiges Gefühl der Enttäuschung überkam ihn, auch wenn beide das Band, das zwischen ihnen bestand, nicht leugnen konnten. Falls sie nicht wusste, was geschehen war, so war sie sich zumindest bewusst, dass irgendetwas vorgefallen war.
    Sie überhaupt zu küssen und zu berühren, war alles andere als professionell gewesen. Sein Schutzmechanismus hatte nicht funktioniert. Als hätte er nicht längst gelernt, wie schmerzhaft die Konsequenzen sein konnten, wenn man das versäumte.
    »Bist du gewöhnt, immer zu bekommen, was du willst?«, fragte er.
    »Du nicht?«
    Sie lächelte ihn noch einmal an, ehe sie sein Büro verließ und die Tür leise hinter sich schloss.
    Ihm blieb keine Zeit, sich zu fragen, was zum Teufel er jetzt tun sollte, weil sein Handy klingelte. Er schaute auf die Nummer, klappte das Handy auf und sagte: »Es geht mir gut.«
    »Angeschossen ist alles andere als gut«, erwiderte Kenneth Waldron. Er war der einzige Mann, den Jake je als seinen Dad betrachtet hatte.
    »Haben dir das deine Tarotkarten verraten?«
    »Ich brauche keine Karten. Ich habe dir letzten Monat gesagt, dass etwas Großes auf dich zukommt.«
    »Wie du siehst, hat es mich verfehlt. Zum größten Teil zumindest.«
    »Jake …«
    »Es geht mir wirklich gut«, wiederholte Jake. Seine Hand glitt automatisch zu seiner rechten Seite, die noch immer bandagiert war. »Ist nur eine Fleischwunde. Ich bereite mich gerade aufs Training vor.«
    »Ich habe übrigens nicht zwingend Beschuss gemeint. Und jetzt gib mir deinen Bruder.«
    Er brauchte sich nicht mal die Mühe zu machen, Kenneth zu erklären, dass keiner seiner Brüder da war. Er schwieg einfach eine Sekunde, und im nächsten Augenblick stürmten Nick und Chris auch schon in sein Büro. Wie immer stritten sie.
    Manchmal war es wirklich eine Plage, einen Vater mit übersinnlichen Fähigkeiten zu haben. »Und welchen?«
    »Den, der mich nicht anlügen wird!«, schnauzte sein Vater.
    Jake blickte von Chris zu Nick und befand, dass sich beide in dieser Hinsicht nichts nahmen. Er warf Chris das Telefon zu, während Nick seinen Kaffeebecher nahm und in einem Zug leerte.
    »Es geht ihm gut, Dad«, sagte Chris. »Warum sollte ich dich anlügen?« Er lauschte einen Moment. »Tja, also insofern hast du recht.«
    Seine ältesten Freunde nannten ihn Twist, seine Frau, die vor zwölf Jahren gestorben war, hatte ihn Cher genannt, und für seine drei erwachsenen Jungs war er

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