Entfuehrt
Geld.
Trotzdem war es Onkel Cal gelungen, ihre Mutter davon zu überzeugen, dass die Navy wahrscheinlich am besten dazu geeignet war, Isabelle in Zukunft solche Erlebnisse zu ersparen. Sogar das FBI hatte sie darauf hingewiesen, dass es besser sei, für eine Organisation zu arbeiten, die sie nicht an derart gefährliche Orte schickte.
Inzwischen hatte sie die erste Woche des neuen Jahres mit einem nicht enden wollenden Strom von Marinesoldaten eingeläutet, die sich im Manöver befanden. Allerdings schienen die nichts Besseres zu tun zu haben, als sich zu verletzen. Sie hatte fast vierundzwanzig Stunden am Tag Bereitschaftsdienst. Die Arbeit erinnerte sie an ihre Assistenzzeit – allerdings ohne das sonstige medizinische Personal.
»Glauben Sie, ich bin für das BUD/S-Training nächsten Monat wieder fit, Doc?« Al, ein Marine, der viel zu jung wirkte, um an irgendwelchen Kampfhandlungen teilzunehmen, blickte erwartungsvoll zu ihr auf. Er war von einem Granatsplitter an der Stirn erwischt worden, und die Platzwunde hatte wie verrückt geblutet.
»Erst müssen Sie mir sagen, was ein BUD/S ist«, erwiderte sie.
»Das BUD/S ist der erste Teil der SEAL-Ausbildung«, erklärte Al. »Es soll das Härteste sein, was ein Mann durchstehen kann.«
Sie bezweifelte, dass Jake es als das Härteste bezeichnen würde, was ein Mann durchstehen konnte – bei Weitem nicht. Aber sie nickte. »Das klingt anstrengend.«
»Ja. Die ersten Wochen sind die schlimmsten, besonders der Teil, den sie die Höllenwoche nennen. Sobald man die überstanden hat, ist man auf der sicheren Seite, aber es gehört noch eine Menge mehr dazu, ein richtiger SEAL zu werden.«
»Und das wollen Sie gern?«, fragte sie.
»Ja, Ma’am!«, erwiderte Al so ernst, dass sie ein Lachen unterdrücken musste.
»Sie dürften bis dahin wiederhergestellt sein«, erklärte sie. »Und ich kann dafür sorgen, dass von der Wunde keine Narbe zurückbleibt.«
»Schon okay, wenn Sie’s nicht können. Narben sind cool.«
»Narben helfen dir auch nicht, dein BUD/S zu bestehen. Schon mal einem SEAL begegnet, Doc?«, fragte ein Marine namens Luke. Er war heute schon zweimal bei ihr gewesen. »Diesen Monat sind einige von ihnen hier auf dem Stützpunkt. Sind wohl grade von einem Einsatz zurückgekommen. Das ist immer gut für die Moral.«
»Ich bin einigen von ihnen begegnet«, sagte sie. Es war erst vierundzwanzig Stunden her, seit sie Jakes Büro verlassen hatte, und seitdem war viel zu viel zu tun gewesen, um sich noch viele Gedanken über ihr Gespräch zu machen.
Heute trug sie blaue OP-Kleidung. Ihr Ausweis hing an einem schwarzen Band um ihren Hals und kam ihr ständig in die Quere. Sie hatte ihr Haar zu einem lockeren Knoten hochgebunden. Aufs Make-up hatte sie verzichtet, aber das schien ihre Attraktivität nicht zu schmälern, denn sie war trotzdem mindestens fünfzehn Mal um ein Date gebeten worden. Offensichtlich hatte keiner der Marines ein Problem damit, mit einer Ärztin auszugehen.
»Wusstest du, dass sie achtzehn verschiedene Methoden lernen, mit bloßen Händen zu töten? Stell dir mal vor, was sie dann erst mit einer Waffe ausrichten können.« Luke sprach jetzt mit Al. Er zog den jungen Mann mit einer, wie Isabelle glaubte, Mischung aus Unsinn und Fakten auf. Die Wahrheit lag wohl irgendwo dazwischen. »Mann, einige der Typen sind einfach legendär.«
»Weißt du was über diesen Typ Jake Hansen, von dem ich ständig höre?«, fragte Al.
»Jake? Der ist verrückt. Sie haben ihn vermutlich noch nie getroffen, Doc«, wandte sich Luke an Isabelle. »Er hasst Ärzte. Gewöhnlich bringt er einen seiner Kameraden dazu, ihn zusammenzuflicken. Oder er macht’s selbst.«
»Interessant«, murmelte sie.
»Sehen Sie den Aktenschrank? Angeblich gehören alle Akten da drin zu ihm.« Luke wies auf einen verschrammten, khakifarbenen Schrank mit vier Schubladen, der in einer Ecke der Krankenstation stand.
Isabelle hatte vorhin schon versucht, den Schrank zu öffnen, aber keiner von den Schlüsseln, die ihr Vorgänger ihr dagelassen hatte, passte ins Schloss. »Klingt so, als müssten Sie mich mal aufklären. Sie wissen schon – falls er je hier auftauchen sollte.«
Mehr brauchte sie nicht sagen, um die Jungs zu animieren, mit all den Geschichten über Jake herauszurücken. Jeder versuchte, die anderen mit dem, was er über Jake wusste, auszustechen.
»Man erzählt sich, Jake sei direkt vom Bootcamp ins BUD/S marschiert. Das passiert nie. Ich hab gehört, er
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