Entfuehrt
doppelt so beruhigend. »Du brauchst dich bei mir nicht zu entschuldigen. Für nichts.«
»Ich habe nie geglaubt, dass ich zu so einer engen Bindung überhaupt fähig bin«, sagte sie. Die eisige Luft fraß sich beißend durch ihr Langarmshirt. Sie lief auf der Veranda auf und ab, um der Winterkälte zu entkommen. »Es ist so … intensiv. Ich habe das Gefühl, ich würde dich gut kennen. Aber ich kann es nicht in Worte fassen, und dann wieder glaube ich, dass ich es gar nicht erklären muss. Du hast damals schon gewusst, was ich meinte. Ich bin nur nicht sicher, ob mir das gefällt.«
Sie zögerte und hoffte, ihr Zögern würde ihm nicht auffallen. »In jener Nacht, als wir da auf dem Boden lagen und du mich geküsst hast, habe ich mir vorgestellt, wir seien im Urlaub. Ich habe mir vorgestellt, abends mit dir am Strand zu liegen, nachdem wir uns den ganzen Nachmittag gesonnt hatten. Es war wie ein Stück vom Himmel, das wir uns inmitten der Hölle gestohlen hatten.« Sie sprach leise, mehr zu sich selbst als zu ihm. Eigentlich müsste der Gedanke an jene Nacht sie ängstigen, aber sie dachte nicht an die Ereignisse, bevor Jake sie rettete. Die Erinnerung daran war der an Jake nicht gewachsen. Zumindest nicht in der Regel.
»Was willst du von mir, Isabelle?«
»Ich will …« So viel. »Ich will, dass du kommst und mich abholst.«
»Ich bin in fünfzehn Minuten da. Soll ich so lange am Telefon bleiben?«
Sie lächelte. »Ist schon in Ordnung. Ich muss meine Sachen packen. Wir sehen uns gleich.«
Sie legte auf, schob ihr Handy wieder in die Hosentasche und ging zurück ins Haus. Ihre Mutter und Onkel Cal steckten noch immer die Köpfe zusammen, und sie ging wortlos an den beiden vorbei nach oben in ihr Schlafzimmer, um ihre Sachen zu packen.
»Du gehst?« Ihre Mutter kam durch die halb geöffnete Tür.
»Ich hab’s Onkel Cal vorhin schon erzählt. Ich bin ihm wirklich dankbar für alles, was er für mich getan hat … was ihr beide für mich getan habt. Aber es ist für mich an der Zeit, mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen.«
»Wann wolltest du mir davon erzählen?«, fragte ihre Mutter und wandte sich zu Onkel Cal um, der hinter ihr in der Tür aufgetaucht war.
»Ich finde, wir sollten uns alle erst mal beruhigen«, brummte Onkel Cal.
Aber Isabelles Temperament ging mit ihr durch. Und es fühlte sich gut an. Richtig gut. Sie ließ alles raus. Es war, als könne sie so ihre Stärke zurückgewinnen. Und ein bisschen gewann sie auch ihr Leben zurück.
»Ich bin es leid, ruhig zu sein, Onkel Cal. Ich muss wieder gesund werden. Und diesen Prozess kann ich nur auf eine Weise vorantreiben, die ich für richtig halte, nicht du oder Mom.«
»Sie ist so stur«, sagte ihre Mutter zu Onkel Cal. »Es wird immer schlimmer, je älter sie wird.«
» Sie ist immer noch im selben Zimmer«, fauchte Isabelle.
»Ich weiß, du bist eine erwachsene Frau, und du kannst tun und lassen, was du willst. Du hörst ja doch nicht auf mich. Aber mir wäre es wirklich lieber, wenn du im Moment nicht allein wärst«, flehte Jeannie.
»Ich bin ja nicht allein. Ich habe Mitbewohner.«
Cal warf ihr einen Blick zu, den sie jedoch ignorierte.
»Mitbewohner?«, hakte Jeannie nach.
»Ja. Männer, die Onkel Cal kennt. Sie arbeiten auf dem Stützpunkt.«
»Soldaten?«
»Nein, eigentlich sind es SEALs«, gab Isabelle zu. »Sie gehören zu dem Team, das mich gerettet hat.«
Ihre Mutter schwieg einen Augenblick. »Triffst du … du triffst dich doch nicht mit einem von ihnen?«
»Ich glaube, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, euch beide mal allein zu lassen«, schlug Cal vor. Er stand auf und verließ so schnell das Schlafzimmer, als wolle er unter keinen Umständen anwesend sein, wenn das Thema auf eine mögliche Beziehung kam.
»Einer von ihnen bedeutet mir etwas«, erklärte Isabelle.
»Ich finde, das ist keine so gute Idee. Ich meine, er hat dich schließlich gerettet, Izzy. Er weiß …«
»Ja, er weiß alles«, fiel sie ihrer Mutter ins Wort. »Und es ist ihm egal. Für ihn bin ich eine gesunde Frau aus Fleisch und Blut. Warum auch nicht?«
Isabelle konnte die Tränen nicht länger zurückhalten, und ihre Mutter schloss sie ohne Zögern in die Arme. »Natürlich sollte er dich so behandeln. Mit dir ist alles in Ordnung. Er sollte sich glücklich schätzen, dich zu haben.«
»Und was ist dann dein Problem?«
»Ich habe nur gedacht, es wäre vielleicht einfacher, wenn da jemand ist, der nicht weiß, was passiert ist.
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