Entfuehrung nach Gretna Green
„einige wenige Sachen“ brauchen, er selber jedoch offensichtlich alles mitgenommen hatte, was er besaß.
Sobald er Venetia sah, hellte sich seine Miene auf, und er ging ihr mit ausgestreckten Armen entgegen. „Da sind Sie ja! Ich habe MacLean gefragt, wann Sie herunterkommen würden, aber er drückte sich verdammt vage aus.“
An Ravenscroft vorbei schaute Venetia hinaus zu der großen Reisekutsche, die dort wartete. Offensichtlich hielt Mrs. Bloom viel davon, bequem zu reisen, denn ihre Kutsche war riesig und bot zweifellos noch einigen zusätzlichen Passagieren Platz.
Oben im Haus wurde eine Tür zugeschlagen, gefolgt vom Klang hastiger, schwerer Schritte , auf der Treppe. Als Venetia und Ravenscroft die Köpfe hoben, sahen sie Miss Platt herbeieilen. Ihr hageres Gesicht war wutverzerrt, ihr Kinn kampfeslustig vorgeschoben. Auf der untersten Treppenstufe blieb sie stehen und verkündete in dramatischem Ton: „Ich habe Mrs. Bloom verlassen, Miss West, und bin nun ganz von Ihrem Wohlwollen abhängig.“
„Wie bitte?“, stieß Venetia ungläubig hervor und blinzelte verwirrt.
Gleich darauf erschien Mrs. Bloom oben an der Treppe. Sie trug einen schwarzen Umhang und eine pelzgefütterte Haube mit purpurroten Samtbesätzen, dazu einen langen, lilafarbenen Schal. Ihre Lippen waren missbilligend verkniffen, ihre Augen funkelten ärgerlich. Beim Anblick von Miss Platt unten an der Treppe streckte sie einen behandschuhten Finger vor. „Da sind Sie ja, Sie undankbares Ding! “
Miss Platt schob ihr Kinn noch weiter vor und kreuzte die mageren Arme vor der Brust. „Ich bin nicht undankbar! Ich verteidige nur mein Recht auf ... auf ... auf ... “ Hilfe suchend sah sie sich nach Venetia um.
Diese blieb stumm und blinzelte immer noch irritiert. Inzwischen war auch Mrs. Bloom mit bebendem Doppelkinn unten an der Treppe angekommen. „Was Ihr weiteres Schicksal betrifft, Miss Platt, wasche ich meine Hände in Unschuld. Und nun gehen Sie bitte zur Seite, Sie stehen mir im Weg.“
Miss Platt schnaubte. „Ich werde froh sein, wenn Sie fort sind. Sie haben mich nicht gut behandelt. Ist es nicht so, Miss West?“
Bei diesen Worten ihrer ehemaligen Gesellschafterin warf Mrs. Bloom Venetia einen anklagenden Blick zu.
Erstaunt, dass sie in den Streit zwischen den beiden Frauen hineingezogen wurde, öffnete Venetia den Mund. „Ich kann dazu nichts sagen. Ich meine, das müssen Sie selbst entscheiden und nicht... “
Miss Platt stemmte die Hände in die Hüften. „Ich bin nicht Ihre Dienerin, Mrs. Bloom.“
„Das habe ich auch nie behauptet“, fauchte Mrs. Bloom. „Ich gab Ihnen ein Gehalt, was ich nicht hätte tun müssen, nachdem ich schon so viel für Sie und Ihren nichtsnutzigen Bruder getan habe.“
„Bertrand ist kein Nichtsnutz!“
„Er ist ein Halunke“, stellte Mrs. Bloom in entschiedenem Ton fest. „Wenn Sie mir nicht glauben, fragen Sie die Leute, die er mit seinen Betrügereien um ihr Geld gebracht hat.“
„Er hat einige falsche Entscheidungen getroffen“, erklärte Miss Platt mit glühenden Wangen.
„Nein“, verbesserte Mrs. Bloom sie. „Er ist die falsche Entscheidung.“
Ravenscroft räusperte sich. „Ich glaube, ich bringe jetzt mein Gepäck zur Kutsche.“ Er riss die beiden Taschen an sich, die am nächsten bei ihm standen, rettete sich in den Hof und überließ Venetia nach einem kurzen, bedauernden Blick ihrem Schicksal.
Mrs. Bloom schnaubte verächtlich. „Wenn ich bedenke, dass ich Ihrem Hallodri von Bruder geholfen habe, weil ich Mitleid mit Ihnen hatte! Verlassen Sie sich darauf, dass ich Ihnen zum letzten Mal aus Ihren Schwierigkeiten geholfen habe, Miss Platt. Von nun an sind Sie für sich selbst verantwortlich.“
„Ich will für mich selbst verantwortlich sein! Ich habe Möglichkeiten, und zwar viele, und ich bin nicht auf Sie angewiesen, um mein Leben zu verbessern. Das weiß ich, weil Miss West es mir gesagt hat.“
Venetias Herz wurde schwer. Leider konnte sie nicht abstreiten, dass sie das tatsächlich gesagt hatte.
Für einen Moment des Erstaunens ruhte Mrs. Blooms wütender Blick auf Venetia, dann überzog Zornesröte ihr Gesicht. „Sehr gut! Wenn Miss West denkt, dass Sie Möglichkeiten
haben, dann kann sie ja Ihre erste Möglichkeit sein. Ich will nichts mehr mit Ihnen oder mit Ihrem Bruder zu tun haben! “
„Schön!“ Energisch marschierte Miss Platt an Venetias Seite und griff nach ihrem Arm. „ Von nun an bin ich Miss Wests Begleiterin! Und wenn
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